Parallelstrukturen für Erwerbslose

Gewerkschaften, Erwerbslosenverbände und LINKE kritisieren Kompromiss zu Jobcentern

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Koalition der Willigen aus Union, FDP und SPD will das Grundgesetz ändern, um die Jobcenter zu erhalten. Allerdings soll auch der Fortbestand der umstrittenen Optionskommunen in der Verfassung garantiert werden. Eine von vielen Betroffenen erhoffte Vereinheitlichung der Arbeitslosenbetreuung ist somit vom Tisch.

Die Zukunft der Jobcenter scheint gesichert. Am Wochenende verständigte sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Union, FDP und SPD auf Eckpunkte für eine Änderung des Grundgesetzes, um die Jobcenter zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen und deren Familien in ihrer bisherigen Form erhalten zu können. Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und -rat notwendig, deshalb ist die Koalition auf die Stimmen der SPD angewiesen. Das Prozedere wurde nötig, weil das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom Dezember 2007 entschieden hatte, dass die Kooperation zwischen Bundesagentur für Arbeit und Kommunen in den Jobcentern eine »unzulässige« Mischverwaltung darstelle. Bis zum 1. Januar 2011 müssen die bundesweit 346 Jobcenter »verfassungsfest« gemacht werden. Dazu soll der Grundgesetzartikel 91 e noch vor der Sommerpause mit einem Zusatz versehen werden, wonach Bund, Länder oder Kommunen bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen »in gemeinsamen Einrichtungen« zusammenarbeiten dürfen.

Wenn die Spitzen von Koalition und SPD dem Kompromiss am Mittwoch zustimmen, sind die Jobcenter gerettet und die 6,8 Millionen Hartz-IV-Betroffenen erhalten weiterhin Hilfe aus einer Hand: Die Bundesagentur kümmert sich um Stellenvermittlung sowie die Auszahlung der Hartz-IV-Leistungen, während die Kommune für die Unterbringung der Arbeitslosen zuständig ist.

Allerdings wurde dieser Kompromiss teuer erkauft. Denn die nun gefundene Einigung zementiert auch das bereits bestehende duale System bei der Betreuung von Erwerblosen. Auf Druck von Teilen der CDU und kommunalen Lobbyverbänden soll dem Grundgesetz ein weiter Zusatz beigefügt werden, der besagt, »dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden« auch weiterhin die Betreuung der Arbeitslosen in Eigenregie betreiben darf. Gemeint sind hier die umstrittenen Optionskommunen, in denen Städte und Kreise ohne Zutun der Bundesagentur ihre Arbeitslosen betreuen. War die Zahl der Optionskommunen bislang auf 69 beschränkt, so sieht der Kompromiss vor, dass die Obergrenze künftig bei maximal 110 liegen könne. Somit könnte es demnächst 41 Jobcenter weniger geben. Es geht um viel Geld: 50 Milliarden Euro kostet Hartz IV in diesem Jahr. Davon trägt der Bund 38 Milliarden Euro, und die Kommunen steuern rund 12 Milliarden bei.

Für Arbeitslose sind Optionskommunen jedenfalls ein Albtraum. Wie Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum kritisiert, zeichneten sich diese Kommunen vor allem dadurch aus, »dass sie sich mit ihren Repressionen quasi in einem rechtsfreien Raum bewegen können«. Hartz–IV-Bezieher könnten sich dort nicht auf bundeseinheitliche Rechtsauffassungen verlassen, so Behrsing. Kritik an den Optionskommunen kommt auch von der Linkspartei und den Gewerkschaften. So warnt der DGB Sachsen vor einer »Zersplitterung« und »wechselnden Zuständigkeiten« durch das Nebeneinander von Optionskommunen und Jobcentern.

Auch der Bundesrechnungshof rügt die Arbeit der Optionskommunen. So heißt es in einer Mitteilung an das Bundesarbeitsministerium vom 13. März, dass mit über einem Drittel der dort betreuten erwerbsfähigen Hartz-IV-Betroffenen nicht einmal ein Beratungsgespräch geführt worden sei. Beinahe zwei Drittel der Betreuten waren noch ohne Vermittlungsprofil.

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