Die große Krise

Wie die Banken die Finanz- und Wirtschaftskrise eingeläutet haben

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die große Krise kam nicht überraschend. Schon in den neunziger Jahren schreckte die Welt auf, als in Asien die Finanzmärkte quasi über Nacht zusammenbrachen. Millionen Menschen verloren dadurch Arbeit und Brot. Die verheerende Finanzkrise zog anschließend weiter nach Südamerika und Russland.

Die Hochburgen des Kapitals in Frankfurt, London und New York blieben dagegen noch verschont. Sie dienten 1997/98 dem flüchtigen Finanzkapital als Fluchtburgen für dreistellige Milliardensummen, die aus den südostasiatischen »Tigerstaaten« Korea, Thailand oder Malaysia abgezogen wurden.

Doch ein paar Jahre später traf es dann auch die Zentren des Kapitals, als der »Neue Markt« kollabierte. An den Börsen des Neuen Marktes waren bis dahin die Kurse für Telekommunikation-, Internet- und Biochemie-Aktien scheinbar unaufhaltsam nach oben gestiegen. Als die Spekulationsblase dann im März 2000 platzte, endete auch der Rausch um die »neuen Industrien« in einem Kater.

Schon während der neunziger Jahre hatten Marktgläubigkeit und die Shareholder-Value-Ideologie in der Finanzwelt die kaufmännische Vorsicht unter sich begraben. »Wer 15 Prozent und mehr Gewinn nach Steuern einfahren will, muss wohl fusionieren«, resignierte damals der prominente Kritiker Professor Uwe Jens vor der Gier der Banken. Bald wurden aus den 15 Prozent Gewinnerwartungen von 20 Prozent und daraus 25 Prozent und mehr.

Wo hohe Gewinne locken, droht aber auch ein hohes Risiko. So hatten westdeutsche Banken und Fonds vor allem im östlichen Neuland und in Berlin leichtsinnig Immobilien und andere Projekte finanziert, die bald zu Investitionsruinen verkamen. Während die bundesdeutsche Bauwirtschaft zusammenbrach und jeder zweite Bauarbeiter seinen Job verlor, saßen die deutschen Banken 2005 auf Problem-Krediten über 300 Milliarden Euro fest.

Diese brisante Blase wurde unter anderem hinter sogenannten Verbriefungen versteckt. Verbriefungen lösten dann auch im Sommer 2007 die große Krise aus. US-Banken hatten in monströsem Umfang mehr oder weniger gewagte Immobilienkredite an Millionen Hausbesitzer vergeben und diese Hypothekendarlehen zu Paketen gebündelt und sie in Form von Wertpapieren (»Briefe«) weiter veräußert. Als Käufer traten auch europäische und deutsche Banken auf.

Abgewickelt wurden die Transaktionen häufig über Schattenbanken in Irland und in anderen Aufsichts-Oasen. Dadurch verschwanden die hochriskanten Finanztransaktionen aus den Bilanzen und aus dem Blick der nationalen Aufsichtsämter. Als jedoch in den Vereinigten Staaten 2007 die Preise für Immobilien ins Bodenlose fielen, zogen Verbriefungen und Schattenbanken die Geldinstitute auf der anderen Seite des Atlantiks mit in den amerikanischen Krisenstrudel. Im September 2008 wuchs sich dann mit der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers die Immobilien- und Bankenkrise zur globalen Finanzkrise aus und erreichte die Realwirtschaft. Die Folge war die größte Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren.

Die Gründe der großen Krise liegen jedoch tiefer. Die Shareholder-Ideologie hatte auch die Erwartungen der Aktionäre an die Profitraten in die Höhe getrieben und die Risikoneigung der Manager erhöht. Den monetären Nachschub für den »finanzmarktgetriebenen Kapitalismus« (Jörg Huffschmid) lieferte der zunehmende Reichtum in den Industriestaaten. Die wachsenden Erträge der Unternehmen und die Profite der Reichen wurden immer weniger in eine zunehmend gesättigte Wirtschaft reinvestiert. Sie flossen statt dessen auf spekulative Finanzmärkte. Dort landeten zudem Petro-Dollars aus den Ölförderländer und Exportüberschüsse aus Deutschland und China.

Mittelbar trug zudem die sich vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich dazu bei, einen globalen Geldüberhang zu schaffen. Wer reich ist, gibt sein Geld im Unterschied etwa zu einem Hartz-IV-Empfänger nicht vollständig aus, sondern legt es über Banken und Fonds auf den Finanzmärkten an. Mittlerweile gibt es auf der Welt dreieinhalb Mal so viel Geld wie reale Waren und Produkte.

Die Antwort »der Märkte« waren neue Finanzvehikel und neuartige Zocker-Produkte. So wurden seit den neunziger Jahren Tausende Hedge-Fonds gegründet. Meistens mit maßgeblicher Unterstützung einer internationalen Großbank. Die milliardenschweren Hedge-Fonds bewegen sich in einem fast unregulierten Raum, Anteile werden außerhalb der geregelten Börsen gehandelt und sie können hochriskante Anlagestrategien einsetzen, die Banken und Investmentfonds versagt sind. Zweieinhalb Jahre nach Beginn der großen Krise hat sich an diesen Rahmenbedingungen wenig verändert. Daher wird auch die nächste Krise nicht überraschend kommen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal