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Nach Katyn
Ganz Polen trägt Trauer. Selbst Kritiker des verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski verbergen ihre Tränen nicht und bereuen: Sie hätten ihm Unrecht getan.
Nicht zuletzt sind es Zeit und Ort der Katastrophe, die Gefühle aufwühlen. Zu nahe liegt der Gedanke an ein »zweites Katyn«. Wie 1940 habe Polen 70 Jahre später bei Katyn einen Teil seiner intellektuellen Elite verloren, klagt Altpräsident Lech Walesa, scheut sich aber nicht, den Finger in die offene Wunde zu legen: Warum wurde der 70. Jahrestag der Tragödie nach der Gedenkfeier mit den Regierungschefs Polens und Russlands ein zweites Mal begangen? Warum saßen so viele bedeutende Persönlichkeiten in der Maschine? Und warum musste der Pilot mehrfach zur Landung ansetzen? Die Antworten spricht Walesa nicht aus, doch niemandem in Polen konnte verborgen bleiben, dass der Präsident seinen politischen Rivalen, Premier Donald Tusk, in den Schatten zu stellen trachtete. Polens »Elite«, die sich in der Trauer vereint sieht, war es zuvor nämlich ganz und gar nicht.
Politische Auseinandersetzungen wird es auch künftig geben, doch sollte die Tragödie Anlass sein, über die Art und Weise ihrer Austragung nachzudenken. Wie auch über das Verhältnis zwischen Polen und Russland. So könnte dieses »zweite Katyn« zur Annäherung oder gar zur Versöhnung beitragen, obwohl Lech Kaczynski – um der Wahrheit auch in der Trauer die Ehre zu geben – deren Vorkämpfer nicht war.
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