Aschewolke über Konjunkturpflänzchen

Wirtschaft befürchtet Milliardenverluste wegen Sperrung des Luftraums

  • Ulrich Glauber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Sperrung des europäischen Luftraums zeigt, wie pannenanfällig Dienstleistungsgesellschaften sind.

Erdbeeren zu Weihnachten müssen nicht sein. Aber wenn viele Obst- und Gemüsesteigen bei anhaltendem Flugverbot in Europa in den nächsten Tagen leer bleiben, wird jeder Verbraucher zu spüren bekommen, was da so alles durch die Luft herbeigeflogen kommt. Frischer Brokkoli, Bohnen oder Erbsen aus Übersee oder frischer Fisch können nicht mehr zum Kunden gelangen, seit an den meisten europäischen Flughäfen die Pisten versperrt sind.

Schon lässt die Lufthansa-Tochter Brussels Airlines in Brüssel verderbliche Ware von Spezialfirmen vernichten, weil sie die Kunden in Skandinavien und der Schweiz nicht mehr erreichen kann. Ohne Versorgung aus der Luft »wird sich das Angebot von importierten Frischwaren in den Supermärkten in den kommenden Tagen merklich ausdünnen«, sagte Vertriebschef Guy Hardy.

Leidtragende der Luftraumsperre sind natürlich zunächst einmal die Fluggesellschaften, die wegen des entgangenen Geschäfts mit Passagieren wie mit Warentransporten nach Angaben des Branchenverbandes IATA täglich 180 Millionen Euro Umsatz abhaken müssen. Dass auch Flughafenbetreiber, die Postdienste, die auf den nächtlichen Brief- und Pakettransport per Air Mail setzen, und die Reiseveranstalter das Flugverbot verfluchen, liegt auf der Hand. Allein Europas größten Reiseveranstalter TUI Travel haben die Flugausfälle bisher 22 Millionen Euro gekostet.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schätzt die Schäden, die durch solche auch indirekten Folgen der Unterbrechung des Flugverkehrs entstehen, auf etwa eine Milliarde Euro pro Tag. Für die exportabhängige deutsche Wirtschaft ist ein brennendes Problem entstanden, das sich in den Geschäftsbüchern durchaus in roten Zahlen niederschlagen kann. Laut Expertenmeinung ist die gesamte Ersatzteil-Logistik vom Flugzeug abhängig. Ein Andauern des Flugverbots könne »der Konjunkturerholung einen gehörigen Dämpfer verpassen«, sagte DIHK-Chefvolkswirt Jürgen Treier dem »Handelsblatt«. Ein zwei Wochen langes Flugverbot könne bis zu einem halben Prozentpunkt Wachstum kosten. Rund 40 Prozent der deutschen Exporte gehen nach Industrieangaben per Flugzeug ins Ausland.

Bei solchen Perspektiven wachsen die Zweifel, ob die Luftraumsperre unbedingt aufrecht erhalten werden muss. Aus verständlichen Gründen machte sich auch hier die Luftfahrtbranche zum Vorreiter. IATA-Chef Giovanni Bisignani warf den europäischen Regierungen eine unangemessene Reaktion vor. Die Entscheidungen zur Schließung der Flughäfen basiere lediglich auf theoretischen Modellen und nicht auf Fakten.

In Deutschland eskalierte der Konflikt zum Krach. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber sieht durch die Wolke keine ernste Bedrohung für den Flugverkehr. Die Testflüge der Lufthansa hätten alle keine Schäden an den Maschinen gezeigt. »Es wäre zynisch und mit mir auch politisch nicht zu machen, wenn man Umsatzeinbrüche gegen Sicherheit aufrechnet«, konterte Verkehrsminister Peter Ramsauer. Warum allerdings erst am Montag ein Messflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zur Klärung des Sachverhalts aufsteigen konnte, wusste auch der CSU-Politiker nicht so recht zu erklären.

Am Montagnachmittag traf sich erstmals eine von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einberufene Taskforce. Es sei nötig, »sofort miteinander zu sprechen, Notlösungen zu organisieren, alle verfügbaren Informationen in die Überlegungen mit einzubeziehen«, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel.

Natürlich gibt es auch Gewinner der Situation. Bahngesellschaften, Busunternehmer, Autoverleiher, Mitfahrzentralen und selbst die Mobilfunkgesellschaften freuten sich ebenso über sprunghaft steigende Umsätze wie die Anbieter von Videokonferenzen für Geschäftsleute im Internet.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal