Krake der Wall-Street

Die Investmentbank Goldman Sachs hat schon lange einen schlechten Ruf

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Goldman Sachs ist für viele Amerikaner zum Symbol für alles Negative an der Wall Street geworden. Die Investmentbank scheint immer zu gewinnen, was auch kommt.

An der Wall Street nennt man Goldman Sachs einen »Vampir-Kraken« – ein Tiefseemonster, das im Dunkeln seine Opfer mit Fangarmen festhält und ihnen den Lebenssaft aussaugt. Der Name bürgerte sich 2009 ein, als Analysten mit Erstaunen sahen, wie Goldman massive Gewinne auswies, während der Rest der Wall Street litt und die Arbeitslosigkeit in den USA durch die Decke schoss. Jetzt, da Goldman Sachs von der Börsenaufsicht SEC Betrug gegenüber Anlegern vorgeworfen wird, bekommt dieser Ausdruck eine neue Bedeutung. Viele Amerikaner sehen einen Beweis dafür, dass Goldmans Tentakeln zu tief ins wirtschaftliche und politische System reichen.

»Das erste, was man über Goldman Sachs wissen muss, ist, dass sie überall sind«, schrieb Matt Taibbi im vergangenen Jahr im Magazin »Rolling Stone«, wo der Titel »Vampir-Krake« kreiert wurde. Seit Jahren waren die Verbindungen der wohl mächtigsten Investmentbank der Welt in Was-hington und darüber hinaus bekannt gewesen, wenn auch nicht deren Ausmaß. Nun wird das von der Bankenaufsicht angestrengte Verfahren als ein Ersatz-Duell zwischen der Bank und ihren Kritikern angesehen. Diese Kritiker sind oft dieselben, die eine durchgreifende Finanzreform verlangen.

»Goldman hat in der öffentlichen Meinung einen regelrechten Absturz erlitten«, sagt Eric Jackson, der in Florida eine Investmentfirma betreibt, die auf ethisch einwandfreie Anlagen setzt. »Das ist ein hinreichender Grund, Dinge zu verändern.« Und auch bei Goldman selbst gibt man zu, dass man ein Problem mit dem Ansehen hat.

Die SEC wirft Goldman vor, gemeinsame Sache mit dem Hedgefonds-Manager John Paulson gemacht zu haben, um hypothekengebundene Anlagen zu verkaufen, während dieser auf einen Kursabsturz wettete. Viele Amerikaner sehen solche Geschäfte als typisch für das Verhältnis von Wall Street und »Mainstreet« – Normalbürgern und Mittelstand – an.

»Goldman Sachs betrachtet sich wahrscheinlich als eines der Unternehmen, die zu groß – oder zu wichtig – sind, um zu scheitern«, schreibt John Crudele in seiner an der Wall Street viel gelesenen Kolumne in der »New York Post«. »Dabei ist man einfach zu gierig, um zu existieren.«

Diesmal könnten auch die engen politischen Verbindungen nicht ausreichen, um das Haus vor empfindlichen Strafen zu schützen. In der Vergangenheit galten diese Beziehungen als Garant für den Erfolg. Die Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush beriefen ehemalige Spitzenmanager von Goldman zum Finanzminister. Der Chef der New Yorker Filiale der US-Notenbank ist ebenso ein Ex-Goldman-Manager wie der frühere Gouverneur von New Jersey. Politische Verbindungen sind die eine Seite des Einflusses. Der Investmentbank wird auch vorgeworfen, für die Erdöl-Blase von 2007 mit verantwortlich zu sein und Griechenland geholfen zu haben, seine Staatsschulden zu verschleiern.

Aber Goldman schien bisher über allen Vorwürfen zu thronen. Vorstandschef Lloyd Blankfein meinte einmal vor Reportern auf die Frage, ob man in der Krise bei hohen Boni keine Schuldgefühle habe: »Wir tun Gottes Werk.«

Lexikon

Goldman Sachs ist die mit einem Umsatz von 45,2 Milliarden Dollar und 32 500 Mitarbeitern größte Investmentbank in den USA. 1869 von einem deutschen Auswanderer in New York gegründet, expandierte man zunächst im Wertpapierhandel. Die Bank war als Hauptanbieter geschlossener Fonds Mitauslöser des Börsencrashs von 1929. Nach dem Krieg setzte man mehr auf die Begleitung von Börsengängen und das Platzieren von Kommunalanleihen. In den 80er Jahren begann die internationale Expansion. Im Zuge der Finanzkrise gab Goldman Sachs den Sonderstaus als Investmentbank auf, wobei dieser Geschäftszweig aber weiter dominiert. ND

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