Schüler-Ausstellung

Von der Spree an den Bosporus

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Friedrich II, Kurfürst von Brandenburg (1413 bis 1471), erhielt wegen seiner politisch unnachgiebigen, konsequenten Haltung gegenüber den brandenburgischen Landesständen von seinen Zeitgenossen den wenig schmeichelhaften Beinahmen »der Eiserne« bzw. »Graf Eisenzahn«. Doch der Adelige aus dem Geschlecht der Hohenzollern hatte auch eine andere Seite. Beim Reichstag in Nürnberg fiel ihm 1453 ein Medaillon in die Hände, auf dem eine wunderhübsche byzantinische Prinzessin abgebildet war. Friedrich verliebte sich in das Abbild der jungen Frau und machte sich auf ins damalige Konstantinopel. Als er dort eintraf, fand er zwar die Prinzessin, geriet aber auch in die Wirren der damaligen Ereignisse, als die Osmanen die Stadt eroberten und damit den letzten Rest des christlichen oströmischen Reichs beseitigten; aus Konstantinopel wurde Istanbul.

Diese (teils fiktive) Geschichte nahmen zwei Künstlerinnen, eine Archäologin und eine Kunstlehrerin zur Vorlage für ein Kunstprojekt an der Carl-Kraemer-Grundschule in Moabit. Die familiären Wurzeln der meisten Schüler liegen in der Region, in die die Reise des »eisernen« Grafen führte. Das war der Anknüpfungspunkt für die Schüler, sich gestalterisch mit der Kunstgeschichte, den historischen Ereignissen und dem privaten Leben des einstigen Kurfürsten auseinanderzusetzen. »Mit Graf Eisenzahn unterwegs von der Spree bis an den Bosporus« haben sie ihre Ausstellung genannt, die vergangene Woche eröffnet wurde. In den Fluren der Schule sind die Bilder und Skulpturen der Schüler zu bewundern, mit denen sich die Neun- bis Zwölfjährigen ein Bild von Friedrich II, der Prinzessin Zoe und der damaligen Zeit gemacht haben.

Auch für die Schülerinnen und Schüler war dieses Projekt eine Reise: Sie führte sie aus dem gesellschaftlichen Rand Berlins (die kunstbetonte Ganztagsschule liegt inmitten eines sogenannten sozialen Brennpunktkiezes) ins Deutsche Historische Museum und in das Museum für Islamische Kunst auf der Museumsinsel. Dort holten sie sich ihre Inspiration für das künstlerische Nachempfinden der Wandvertäfelung des sogenannten Aleppo-Zinmers (Empfangsraum in einem von einem Christen bewohnten Haus in der syrischen Stadt Aleppo mit Motiven der christlichen und islamischen Mythologie), für das Medaillon mit dem Bildnis der byzantinischen Prinzessin Zoe, den Rüstungen der christlichen Ritter und den Schwertern der osmanischen Krieger.

Das Ergebnis sind teils Kopien historischer Originale, teils fantasievolle Eigenkreationen. Aus einer der Ritterrüstungen ragen beispielsweise zwei große, spitze Schrauben, umkranzt von kleinen, silbernen, blütenblätterähnlichen Gebilden. Letztere dienen dazu, den Feind zu blenden, damit er die Gefahr, die von den zwei Stacheln ausgeht, nicht bemerkt, erklärt einer der »Live-Speaker«, der die Besucher durch die Ausstellung führt. Diese »Live-Speaker« sind die Künstler selbst. Sich von ihnen durch die Ausstellung führen und erklären zu lassen, ist ein Erlebnis für sich.

Carl-Kraemer-Grundschule, Zechliner Straße 4, 13359 Berlin, bis 30.09., Mo. bis Fr., 8 bis 16 Uhr.

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