Die Kunst, Partys zu besänftigen

Mediatoren wollen Streit um das abendliche Vergnügen auf der Admiralbrücke schlichten

Jeder Poller ein Partyhocker: Auf der Admiralbrücke wird es abends laut und bierselig.
Jeder Poller ein Partyhocker: Auf der Admiralbrücke wird es abends laut und bierselig.

Die Jongleure sind schon da, und auch die Gitarristen spielen wieder auf der Admiralbrücke vor herumlungernden Touristen und Studenten. Das lauschige Plätzchen am Landwehrkanal hat in den letzten Jahren ein Eigenleben entwickelt. Jeder alternative Reiseführer preist die »bottle partys« dort an – ein paar Flaschen Bier vom Spätkauf, Live-Musik gibt’s gratis und die Unterhaltung auch. Hier ist das legere Berlin, wonach die jugendlichen Reisenden suchen.

Die Kehrseite liegt jedoch auf der Hand: Denn die denkmalgeschützte Brücke ist mitten in einem Wohngebiet; und wenn für die Anwohner schönes Wetter vor allem Partylärm bis zum nächsten Morgen bedeutet, ist für sie die Schmerzgrenze überschritten. Einige Anwohner rufen häufiger die Polizei. Auch das Ordnungsamt kommt vorbei, doch die Situation schaukelt sich dennoch regelmäßig hoch.

In diesem Jahr will ein Mediatorenteam helfen, die Situation nachhaltig zu entspannen. »Streit entknoten« haben sich die Sozialarbeiter Sosan Azad und Doris Wietfeldt als Motto auf die Visitenkarten geschrieben. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat dafür 18 000 Euro bereitgestellt. Peter Beckers, der stellvertretende Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, freut sich darüber. Der Sozialdemokrat ist nämlich dafür verantwortlich, dass die Konflikte auf der Brücke nicht wieder auflodern.

Gestern lief das Projekt an, und Beckers stellte es gemeinsam mit Azad und Wietfeldt einer Schar von Medienvertretern vor. Man könne nicht einfach das Bußgeld anheben, um für Ruhe zu sorgen, entgegnete Beckers auf die Frage eines Boulevardjournalisten, ob es nicht auch etwas restriktiver gehe. »Nur weil es laut werden kann, darf man es niemandem verwehren, sich auf der Brücke aufzuhalten.« Beckers will die Freiheit bewahren. Wie aber soll dann geschlichtet werden?

Was die Mediatorinnen vorhaben, hört sich wie ein Kunststück an. Es gebe viele Stammnutzer auf der Brücke, weiß Azad. »Mit solchen Leuten müssen wir ins Gespräch kommen«, meint sie. Die könnten Einfluss auf die Touristen ausüben, die nur mal vorbeikommen und dann wieder weg seien. In einem weiteren Schritt sollen alle Konfliktparteien miteinander reden – die Feiernden mit Lärmgeplagten, die Gewerbetreibenden mit dem Bezirk. Azad sprach von einem Rahmen und einer Struktur, die sie in den kommenden sieben Monaten schaffen wollen.

Eine Anwohnerin war auch beim Pressegespräch, sie hält das Vorhaben für komplett naiv. Offenbar kennt sie Situationen, in denen nachts Besoffene rumgrölen, Flaschen zerdeppern und andere, die sich darüber beschweren, als Spießer beschimpfen.

»Händchenhalten klappt da nicht«, meint sie. Beckers jedoch verweist auf den Brüsseler Platz in Köln, wo das Partyvolk nach einer erfolgreichen Mediation an einen anderen Platz umgezogen ist.

Eine solche Lösung klingt für die Admiralbrücke unrealistisch, das gab auch Beckers zu. Wohl aber kann er sich vorstellen, dass der Pizzabäcker die benutzten Pappen wieder einsammelt, und auch für das wilde Urinieren lasse sich eine Lösung finden. Vielleicht komme der Saxophonist ja auch von selbst zur Einsicht, dass seine Lieder nach Mitternacht für Schlafsuchende nervtötend seien. Beckers ist Optimist, Wietfeldt auch – gleichwohl sie weiß, dass es »die perfekte Lösung« nicht geben werde. Wohl aber eine, mit der alle leben können.

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