Schlimm: Mann schlägt Hund

Neue Studie zu Wertvorstellungen von Deutschen und Migranten

Deutsche und Migranten sind sich in ihren Wertvorstellungen ähnlicher als man gemeinhin vermutet. Das zeigen die Ergebnisse eine Umfrage der Info GmbH und Liljeberg Research International.

»Die Ehre und das Ansehen der Familie sind stets zu schützen, wenn nötig auch mit Gewalt.« Sollten Sie dieser Aussage zustimmen, sind Sie mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eine Person mit Migrationshintergrund. Mit noch höherer Wahrscheinlichkeit sind Sie eine Person mit türkischem Migrationshintergrund. Aber mit größter Wahrscheinlichkeit sind Sie ein typischer deutscher Spießbürger: nicht mehr der Jüngste, protestantisch, auf dem Land lebend, nicht allzu gut gebildet, mit Job und durchschnittlichem Verdienst. Ihre Mitbürger beäugen Sie mit großem Misstrauen.

»Der spießige gesellschaftliche Durchschnitt, das ist das Problem«, sagt Holger Liljeberg, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Info GmbH. Barbara John, die lange Jahre als Ausländerbeauftragte des Berliner Senats tätig war, stimmt Liljeberg bei der Vorstellung der Studie »Wertewelten von Deutschen und Migrant/innen – Migration zwischen Integration und Ausgrenzung« zu. Auch sie hält deutsche Spießbürger ebenso für eine »Risikogruppe« wie schlecht integrierte Türken. Emanzipation, Individualisierung und Modernisierung will John voran bringen, um Rassismus und Intoleranz zu schwächen. Man darf gespannt sein auf die Integrations- und Aussteigerprogramme für rassistische Spießer.

Im Eigenauftrag hat die Info GmbH über 2000 Menschen in Deutschland befragt – allesamt nach ihren Vorstellungen zu Themen von der Rechtsstaatlichkeit über Religion bis zu Haschischkonsum und vorehelichem Geschlechtsverkehr, außerdem die Deutschen zu Migranten und die Migranten zu Deutschland. Die Ergebnisse sind nicht durchweg überraschend: Migrant ist nicht gleich Migrant, und Muslim nicht gleich Muslim. Muslimische Türken sind wesentlich konservativer und intoleranter als Muslime aus anderen Ländern, was mit der sozialen Herkunft und dem Bildungsniveau zu tun hat. Migranten, die optisch als solche erkennbar sind, erleben in besonderem Maße die Ablehnung der deutschen Gesellschaft und leiden mitunter zusätzlich unter dem Rassismus anderer migrantischer Gruppen. »Gesellschaftliche Teilhabe« führt zu einer »Angleichung der Wertewelten der Migranten an die der Deutschen«. Und: »Eine Ausgrenzung durch die Deutschen widerspricht auch den Werten des Grundgesetzes (Art. 3 GG).«

Alles in allem sind die Grenzen bei den Wertvorstellungen von Deutschen und Migranten durchaus fließend. Katholische Deutsche beurteilen viele Dinge ähnlich wie nicht-türkische Muslime, und gerade jene Deutsche, die die Migranten am liebsten wieder »nach Hause« schicken würden, haben besonders viel mit den Traditionalisten unter ihnen gemeinsam.

Übrigens sind bei der Zustimmung zu folgenden Aussagen kaum Unterschiede zwischen Deutschen (einschließlich Katholiken und Rassisten), Türken, Russen, Polen und anderen Migranten festzustellen: »Freier Wettbewerb ist die beste Garantie für wirtschaftlichen Wohlstand.« (Zustimmung ca. 60 Prozent) »Heutzutage gibt es zu viel Toleranz. Kriminelle sollten härter bestraft werden.« (Zustimmung ca. 70 Prozent). »Ein Mann schlägt auf seinen Hund ein, weil dieser nicht gehorcht.« (Das finden einhellig ca. 85 Prozent schlimm.)

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