Am Bettelstab für die Rathaus-Kämmerer

Sachsens Kommunen droht Einbruch bei Investitionen / LINKE fordert Pauschale von 250 Millionen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Sachsens Städte und Gemeinden werden ab 2011 kaum noch investieren können. Das ist der Pferdefuß eines mit dem Land geschlossenen Kompromisses. Die LINKE verlangt eine zusätzliche Viertelmilliarde Euro. Ihr Bundesvize geht für bessere Gemeindefinanzen sogar am Bettelstab.

Die Dresdner werden heute vor dem Rathaus angeschnorrt – und zwar von einer Frau, die ihnen von Wahlplakaten oder aus Talkshows bekannt vorkommen könnte. Obwohl es sich um die LINKE-Bundesvize Katja Kipping handelt, die auch Abgeordnete ist, verbieten sich hämische Bemerkungen über die Höhe der Diäten. Denn am Bettelstab geht Kipping quasi stellvertretend: Im Rahmen einer Aktionswoche will sie auf die erbärmlichere Finanzausstattung der Städte und Gemeinden hinweisen.

Das Beste, was über deren pekuniäre Lage zu sagen wäre, ist: Dramatisch wegbrechende Gewerbesteuern sind für Kommunen in Sachsen kaum ein Problem. Weil es große Unternehmen selten gibt, sind »die Kommunalbetriebe oft ohnehin die einzigen, die Steuern zahlen«, sagt Sebastian Scheel, Finanzexperte der Landtags-LINKEN. Damit ist aber zugleich ein gravierendes Problem der Stadtkassen benannt: Sie sind in hohem Maße abhängig von Schecks, die der Freistaat ausstellt. Dem freilich fehlen 2011/12 selbst satte 1,7 Milliarden Euro Einnahmen.

Ein Kompromiss, der kürzlich zwischen dem Finanzminister und Kommunalvertretern ausgehandelt wurde, enthält denn auch eine gute und eine sehr schlechte Botschaft. Die positive: Die Kämmerer erhalten annähernd stabile allgemeine Zuweisungen, die für Personal, Schulbetrieb oder die Unterhaltung von Theatern notwendig sind. Erkauft wurde diese auch von der LINKEN begrüßte Entwicklung allerdings mit einem dramatischen Rückgang der Investitionsmittel. Die »investiven Schlüsselzuweisungen« werden von 593 auf 87 Millionen eingedampft, wovon die zehn Landkreise etwa lediglich 400 000 Euro abbekommen. »Das reicht nicht mal für einen Kunstrasenplatz«, sagt Scheel. Außerdem wird ein Landesprogramm für den Ausbau von Infrastruktur in Höhe von 75 Millionen Euro nicht erneut aufgelegt. Und schließlich läuft das Konjunkturpaket des Bundes aus. Folge ist laut Scheel ein regelrechter »Absturz«: Konnten in diesem und dem vorigen Jahr 1,4 Milliarden investiert werden, sind es in den nächsten beiden Jahren gerade noch 167 Millionen – ein Rückgang um satte 95 Prozent.

Die LINKE warnt angesichts dieser »Investitionsbremse« vor verfallenden Schulhäusern sowie Auftragseinbrüchen bei Handwerkern und verlangt nachträgliche Korrekturen: Das Land solle eine Viertelmilliarde Euro als Investitionspauschale locker machen, so Scheel.

Das grundlegende Problem unzureichender Kommunalfinanzen würde damit allerdings nicht gelöst. Statt viele Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich an Städte und Gemeinden zu übertragen, müssten diese mehr Geld erhalten, sagt Michael Leutert, Chef der LINKEN-Landesgruppe im Bundestag, und verweist auf den Antrag, Steuersenkungen für Unternehmen zurückzunehmen und einen Notfonds für hochverschuldete Kommunen einzurichten. Er räumt auch ein, dass man »um Steuererhöhungen nicht herumkommt« – wobei ein höherer Spitzensatz sowie Vermögens- und Finanztransaktionssteuer einer höheren Mehrwertsteuer entschieden vorgezogen werden.

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