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Relikte einer vergehenden Welt

Fotografien von Elsa Niemann in Sebnitz ausgestellt

  • Gert Claußnitzer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht so sehr Logik und Konstruktion, sondern vielmehr Poesie des Augenblicks und des Alltäglichen bestimmen das fotografische Schaffen der in Lohmen lebenden Elsa Niemann, die erst nach einem langen Arbeitsleben und weitgehend autodidaktisch zur künstlerischen Fotografie gefunden hat. Nachdem sie vor Jahren bereits in Sebnitz ihre Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen konnte, legt sie nunmehr in einer Ausstellung des Kunstblumen- und Heimatmuseums Sebnitz Ergebnisse ihrer Farbfotografie vor. Nur sehr zögerlich hat sie sich ihr hingegeben, denn die Amateurfotografin hatte sehr schnell erkannt, dass hier andere Einsichten zu berücksichtigen waren und der Gestaltungsspielraum kaum noch Korrekturen zuließ wie seinerzeit in der Dunkelkammer. Den technischen Aufwand besorgt ja nunmehr das anonyme kommerzielle Fotolabor. Und dennoch, fotografisch sehen heißt ja schließlich mit Licht malen, und das gilt auch für das Farbfoto.

Es sind die Relikte einer vergehenden Welt, denen sich Elsa Niemann wie schon in der Schwarz-Weiß-Fotografie auch im Farbbild zuwendet. Und es ist die Lebenskraft der Überlieferung, auf die wir unentwegt hingewiesen werden, in ihren Bildern von Grabsteinen etwa von vergessenen Friedhöfen in Mähren oder in den Fotos von Skulpturen bekannter und unbekannter Bildhauer. Hier am eindrucksvollsten wohl die Detailaufnahmen vom Gethsemanegarten auf dem Annaberg bei Lobendava im Schluckenauer Zipfel mit den Sandsteinstatuen von Franz Pettrich aus dem Jahre 1840, die selbst in beschädigtem Zustand noch von großer Wirkung sind.

Vielfältige Signale, Symbole, Botschaften hält die Kulturlandschaft für uns bereit. Und in unorthodoxer Weise geht ihnen die Fotografin nach, den Ausformungen der Natur und der Kunst folgend, den Quellen der Ursprünglichkeit. Und dies nicht aus Begeisterung für das Alte, wie man meinen könnte, sondern um zur Besinnung zu führen und um Einsichten zu gewinnen, was uns womöglich in einer modernen Welt verloren gegangen ist oder verloren gehen wird. »Es steht schlecht«, sagte vor geraumer Zeit bereits der Maler Paul Cézanne: »Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet. Vieles hat uns schon verlassen, mit ungeahnter Geschwindigkeit.« So durchforstet die Fotografin Elsa Niemann die Natur, die Kultur auf der Suche nach Zeichen, nach ungewöhnlichen Strukturen, etwa im Pflanzenreich, nach Gegensätzlichem und gibt Auskunft über das uns scheinbar Unbekannte. Es sind manchmal Objekte, die vielfach unbeachtet sind, verstummte Gegenstände. Einer belanglosen Alltäglichkeit haucht sie gewissermaßen Leben ein und entreißt somit manches Ding der Vergänglichkeit.

Das Verschwinden festzuhalten, war in einem ganz anderem Metier das Anliegen des Schauspielers André Heller im Wiener Etablissement »Ronacher«, als er zum letzten Mal vergessene Kleinkünstler, Akrobaten, Artisten auftreten ließ und noch einmal an verlöschende Karrieren erinnerte. Elsa Niemann gedenkt dieses Vorhabens mit einem Foto des »Ronacher«. Auch die Aufnahme des »Hotels Birne« in Bruntal in Nordmähren erinnert an Vergangenes. Empfindung und Wahrnehmung wird so Bestandteil einer Kunstwirklichkeit, die elementare sinnliche Erlebnisse auslöst, die jeder haben kann, wenn er genau hinsieht.

Ein besonderes Kapitel in dieser Ausstellung sind die Porträtaufnahmen. Keine gestellten Bilder, sondern spontane Einstellungen mit einem Überraschungsmoment. Der Mensch im nachdenklichen Innehalten, ganz außer sich oder ganz in sich. Der sorbische Bauer in Laske, die Weinbäuerin am Plattensee, der Fellhändler auf dem Wiener Ostermarkt oder das Mädchen Nang aus Ho-Chi-Minh-Stadt, Augenblicksbilder im Licht, dem uralten gestalterischen Element!

Elsa Niemann. Form und Gestalt. Farbfotografie. Kunstblumen- und Heimatmuseum Sebnitz, bis 20. Juni

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