Pressestelle

Teile und herrsche

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Ob ihrer plötzlichen Beliebtheit bei der konservativen Journaille wird sich Renate Künast von den Grünen wahrscheinlich nicht mehr die Augen reiben – überraschend ist die Parteinahme für die potenzielle Wowereit-Herausforderin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters angesichts der Entwicklung der ehemaligen »Bürgerschrecks-Partei« nicht wirklich. Auch dass ausgerechnet die »Morgenpost« hier den Vorreiter spielt, sollte nicht irritieren. Wäre ein starkes Abschneiden der Grünen doch eine Gefahr für die Regierungsbeteiligung der LINKEN.

So ziert die Titelseite der »Morgenpost« vom 10. Juni eine rot-grüne Grafik, die verkündet, dass 42 Prozent der Berliner zu Künast tendieren würden. Klar, dass laut der selben Zeitung vom 11. Juni Wowereit – scheinbar gehetzt und die grüne Bedrohung bereits im Nacken spürend – »Künast die Themen wegnimmt«, als dieser eine Fotovoltaik-Anlage einweihte.

Der »Tagesspiegel« sieht die Sache am 11. Juni unter der Schlagzeile »Virtuelle Augenhöhe« etwas nüchterner, ergänzt immerhin, dass die Umfrage der »Morgenpost« eine (vom Gesetzgeber nicht vorgesehene) Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters voraussetzt. Eben jene »Morgenpost« wiederum freut sich am 10. Juni: »Offenbar hat die in den vergangenen Monaten verstärkt geführte Diskussion über eine mögliche Spitzenkandidatur Künasts gewirkt.« Wenn man bedenkt, wer diese »Diskussion« vor allem »geführt« hat, bekommt das Wort »gewirkt« einen ganz besonderen Beigeschmack – man könnte den Vorgang auch als Paradebeispiel für sich selbst erfüllende Prophezeiung oder aber den Slogan »teile und herrsche« betrachten.

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Ihre Faszination für Alkohol demonstrierten die Berliner Zeitungen in dieser Woche anlässlich des Umzuges eines Teiles der Sammlung des Naturkundemuseums. Denn die etwa eine Million Tierchen, die in über 250 000 Gläsern konserviert sind, werden durch den Alkohol geschützt. Weniger vom Wunder des Lebens oder der schieren Menge an Getier, das hier gelagert wird, ließen sich die Redakteure verführen, als von den »80 Tonnen 70-Prozentigem«, die diese umgeben.

So kündigt die »Berliner Zeitung« vom Freitag »Ein Heim für alkoholisierte Tiere« an, während die »Morgenpost« vom gleichen Tag verkündet: »80 Tonnen Alkohol ziehen um«. Im »Tagesspiegel« löst »ein Museum sein Alkoholproblem«. Bei solcher Fixierung auf die enthemmende Destillation könnte man die Probleme damit aber auch woanders vermuten.

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