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Landarztpraxis im Bus

Krankenkassen diskutieren über neue Versorgungsformen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
In Ballungsgebieten und Regionen mit vielen Besserverdienenden – etwa am Starnberger See – gibt es zu viele von ihnen, in anderen Landstrichen wiederum zu wenig: Die angemessene Verteilung von Hausärzten ist ein Problem in Deutschland. In Berlin diskutierten Krankenkassen, Ärzte und Kassenärztliche Vereinigung über Wege aus dem Dilemma.

Dem zunehmenden Mangel an niedergelassenen Allgemeinmedizinern in ländlichen Regionen der Bundesrepublik steht eine Gesamtzahl an Ärzten gegenüber, die so hoch ist wie noch nie. Aber gerade die abgelegenen Gebiete, darunter deindustrialisierte Brachen in den neuen Bundesländern oder von hoher Abwanderung betroffene Landkreise im Westen, haben es zusätzlich mit einer alternden Bevölkerung zu tun, die immer häufiger mehrfach chronisch krank ist. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Besonders hart trifft das etwa Sachsen-Anhalt – die Bevölkerung nimmt dort bis 2050 stärker ab als im Durchschnitt selbst der östlichen Länder, so Burkhard John, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Bundeslandes. Schon 2025 beträgt der Einwohneranteil der über 80-Jährigen dort knapp neun Prozent. Hinzu kommt außerdem, dass 17 Prozent der Hausärzte bereits über 63 Jahre alt sind. Es werde immer schwieriger, Nachfolger für die Praxen zu finden. Aus Johns Sicht muss die Allgemeinmedizin auch an den Universitäten weiter gestärkt werden. Lediglich an 14 von mehr als 36 medizinischen Fakultäten gibt es derzeit Lehrstühle für Allgemeinmedizin.

Im Mittelpunkt der Lösungsansätze stehen neue Strukturen einer Hausarztpraxis. Für die Experten von den Krankenkassen sind mehrere Varianten vorstellbar: Allgemeinmediziner könnten auch als Angestellte der Kassenärztlichen Vereinigungen oder sogar der Krankenkassen tätig werden. Den Patienten ist es eher gleichgültig, wem ein Medizinisches Versorgungszentrum gehört. Wichtiger sind ihre Bedürfnisse danach, alle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten unter einem Dach zu finden, besonders, wenn sie etwa gehbehindert sind oder kein eigenes Auto haben.

Neben einer Vielfalt von möglichen Kooperationsformen verwies auch Johann-Magnus von Stackelberg, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen, auf weitere Probleme, die gelöst werden müssten: Die Ärzte selbst könnten mobiler werden und in Bussen oder Filialpraxen tageweise in Gemeinden arbeiten, anderenfalls sei der Transport der Patienten in die Praxen zu sichern. Außerdem könnten über regelmäßige Arbeitszeiten oder Teilzeitarbeit insbesondere jüngere Ärzte und Ärztinnen für die Arbeit auf dem Land gewonnen werden. Möglich seien Honorarabschläge für Praxen in überversorgten Regionen sowie Zuschläge in unterversorgten Gebieten. Bei der Abwanderung von jüngeren Medizinern in andere Länder könnte deren Beteiligung an den Ausbildungskosten in Erwägung gezogen werden. Unabhängig davon wiesen Kassenvertreter wie Ärzte darauf hin, dass der Vernichtung von Arbeitsplätzen und in der Folge von Infrastruktur nicht allein mit finanziellen Anreizen für Mediziner zu begegnen sei.

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