Von Extremismus bis Terrorismus
Verfassungsschutzbericht 2009 vorgelegt / Innensenator wünscht Konsens gegen Gewalt
Einen »gesellschaftlichen Konsens, dass Gewalt nicht hinnehmbar ist«, wünschte sich gestern Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Da hatte er den Anschlag bei der Großdemonstration gegen die unsoziale Sparpolitik der Bundesregierung im Blick, aber auch den Verfassungsschutzbericht 2009 vor sich. Gemeinsam mit dessen Chefin Claudia Schmid präsentierte er das mehr als 200 Seiten starke Dokument.
Darin aufgelistet sind die – nach Meinung des Verfassungsschutzes – Bedrohungen der »freiheitlich demokratischen Grundordnung«. Als besondere Gefahr erläuterte Körting den »islamistischen Terrorismus«. Er bezog sich dabei insbesondere auf Videobotschaften im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2009. Noch nie sei so viel Propagandamaterial in so kurzem Abstand verbreitet worden. Da die Bedrohung von radikalisierten Islamisten im Lande selbst ausgehe, sehe er Vorbeugung als wichtigste Maßnahme an, sagte Körting. »Ganz wichtig ist hier der Dialog mit den Muslimen, ihre Einbeziehung in den Kampf gegen Terrorismus.« Das Gespräch auch im Islamforum sei das einzige Mittel, Vertrauen zu schaffen und Misstrauen abzubauen«.
Den rechtsextremistischen »parlamentsorientierten« Parteien bescheinigt der Bericht ein »schwaches Jahr«. Die NPD sei durch Richtungsstreitigkeiten, Personalquerelen und Finanzprobleme »intern aufgerieben«. Die Mitgliederzahl in Berlin sank im Jahr 2009 von 330 auf 300. Größere Aufmerksamkeit verdient nun offenbar das Netzwerk »Freie Kräfte«. Hier sammele sich der »aktivste Teil« der Szene. Dabei spielten etwa 120 überwiegend gewaltbereite »Autonome Nationalisten« eine zentrale Rolle. Insgesamt wurden im Vorjahr 1670 Personen den Rechtsextremisten in Berlin zugerechnet, ein Rückgang gegenüber 2008 um 120. Die Zahl der rechtsextremen Straftaten betrug 1261, das waren 147 weniger als 2008.
Beim Linksextremismus verwies Körting auf einen »deutlichen Anstieg« der Gewalt. Sie umfasse auch Angriffe auf Polizisten sowie Übergriffe auf politische Gegner. Verursacht würde nicht nur großer Sachschaden – vor allem mit Brandstiftungen –, sondern es seien auch »schwerste Verletzungen von Menschen in Kauf genommen« worden.
Der Bericht sieht aber die linksextremistische Szene »personell, thematisch und strategisch ›zersplittert‹ und in einer Phase der Neuorganisation«. 2220 Personen wurden den Linksextremisten zugerechnet, ein Zugewinn von 20. Die Straftaten verdoppelten sich fast gegenüber 2008 auf 1292.
In Stichworten
Islamistischer Terrorismus: Deutschland und Berlin weiter im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus; verschärfte massive Medienoffensive durch Drohvideos.
Rechtsextremismus: Rechtsextremistische Parteien geschwächt; NPD verliert Mitglieder; Netzwerk »Freie Kräfte« aktiver als in den Vorjahren.
Linksextremismus: Szene zersplittert, aber hohes Aktionsniveau; Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gesunken; »Antimilitarismus« ist Schwerpunktthema. Angaben: Verfassungsschutzbericht 2009 (Kurzfassung)
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