Bildungsrauschen

Idioten in Harvard, Exzellenz in Bielefeld

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Magazin »Times Higher Education« gibt seit 2004 internationale Hochschulrankings in Auftrag. Nach einer Prüfung gesteht der jetzige Herausgeber, Phil Baty, am 11. Juni 2010 auf www.zeit.de, dass diese aufgrund geringer Datenlage mangelhaft sind: »2008 arbeitete man mit 563 Rückmeldungen aus Großbritannien und (...) 182 Antworten (...) aus Deutschland. Ist es da verwunderlich, dass von Jahr zu Jahr dramatische Sprünge zu verzeichnen waren? Beispiel Freie Universität Berlin: Sie preschte 2009 um 43 Ränge von 137 auf 94 vor. Die Hochschule ist hervorragend, aber konnte sie sich in zwölf Monaten wirklich so stark verbessern?«

Am 12. Juni antwortete Neumannder: »Irgendwie schaffen diese Rankings nicht Forschungsqualitätsnachweise, sondern ein Image. Wasser kann man überall kochen; und es gibt Idioten in Harvard (die aber ein Image mit sich tragen dürfen) und gute Köpfe in Bielefeld (wo man sich in London vielleicht fragt, ob das ein Fußballspieler ist).« Auch Joflo findet: »Das genannte Ranking hat ein großes Problem, es will nämlich die ›beste‹ Uni finden. Es ist vergleichsweise einfach, (...) höchste Qualität der Forschung (viele Veröffentlichungen in angesehen Fachjournalen), die meiste Forschung (Anzahl der Veröffentlichungen), Qualität der Absolventen (wo landen sie später), Lernerfolg der Studenten (wie viel haben sie im Vergleich zum Studienbeginn dazugelernt), Klima an der Uni (fühlen sich Lehrende, Forschende und Studierende wohl?) und ähnliches zu messen. Will man aber jetzt herausfinden, welche Uni die beste insgesamt ist, hat man ein Problem: Es gibt keine Eigenschaft ›Gutheit‹, die sich quantitativ messen lässt.«

Und Lynchmops denkt: »Das Ziel der Rankings ist doch, zu beweisen, dass Harvard und Stanford – zwei extrem teure ›Universitäten‹, die aus lauter Geldgier mittlerweile sogar pseudoakademische Titel im Internet verhökern, wie sich jeder leicht vergewissern kann – immer noch unerreichte Spitze seien. Auf diese Weise können sie ihrem Auftrag, aus den Kindern der Reichen unabhängig von Begabung oder Motivation die Entscheidungsträger von morgen zu machen, besser nachkommen. Dass die Harvard Business School, immer als die Crème de la Crème des ganzen Planeten gepriesen, eine Erfolgsquote ihrer Studenten von 99 Prozent vorzuweisen hat, sagt mehr als tausend Worte. Ich habe selber unterrichtet, auch an Universitäten, und weiß eines: 99 Prozent Erfolgsquote sind wie die 99 Prozent-Wahlergebnisse in totalitären Staaten. Vor diesem Hintergrund sind die ewigen Rankings nicht das Papier wert, auf das sie gedruckt werden. Für die USA jedenfalls wäre es besser, einen gesetzlichen Erbadel einzuführen und die Vermögen von Harvard und Stanford, die dann nicht mehr benötigt würden, einzuziehen und zur Finanzierung des Gesundheitssystems zu verwenden.«

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