Schäubles Anleihen

Vor allem Banken und Versicherungen verdienen an der Bundesschuld

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer verdient eigentlich an den wachsenden Schulden des Bundes? Vor allem vom Staat gerettete Krisenbanken profitieren vom Haushaltsdefizit.

Die Schulden des Bundes betragen über eine Billion Euro. Doch woher bekommt der Staat die vielen Milliarden? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) leiht sich das fehlende Geld nicht etwa direkt von den Banken. Für den notwendigen Nachschub sorgt stattdessen die »Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH«, die ihren Hauptsitz in einem unauffälligen Verwaltungsgebäude in der Frankfurter Lurgiallee hat. Von hier werden 300 Beschäftigte allein in diesem Jahr mehr als 300 Milliarden Euro aufnehmen.

Die Agentur pumpt sich nicht nur frisches Geld, sondern sie zahlt auch Zinsen und tilgt alte Darlehen. Aber der Staat tilgt nicht wirklich, er schuldet immer nur um: Laufend zahlt der Bund alte Kredite in Milliardenhöhe zurück und nimmt dafür sofort neue Darlehen auf. So hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr unterm Strich die Gesamtverschuldung um 68 Milliarden Euro erhöht. Im selben Zeitraum lieh sich die Finanzagentur jedoch mehr als 330 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt aus.

Für diesen üppigen Betrag, der teilweise für die Rettung von Banken ausgegeben wurde, werden ausgerechnet diese Banken angepumpt. Um Kredit zu bekommen, bietet die Finanzagentur Wertpapiere, sogenannte Anleihen, auf Auktionen der »Bietergruppe Bundesemissionen« an, zu denen 32 Banken geladen sind. Angeführt wird diese Gruppe von der britischen Barclays Bank, der Deutschen Bank und der durch den US-Staat geretteten Investmentbank Merrill Lynch. Bis zu ihrer Pleite gehörte auch Lehman Brothers dem auserlesenen Kreis an. Mit von der Partie sind auch drei der angeschlagenen Landesbanken.

Die Auktionäre übernehmen nur einen kleinen Teil der Staatsanleihen in ihr eigenes Portefeuille. Der beträchtlich größere Rest wird an Kunden – vor allem an andere Banken, Versicherungen und Sparkassen – weiterverkauft. Diese verscherbeln wiederum einen Teil an private und an institutionelle Kunden wie Investmentfonds, Versicherungen und Industriekonzerne in aller Welt. Daher finanziert laut Bundesbank das Ausland mittlerweile über 47 Prozent der deutschen Staatsschuld.

Warum aber sind Banken im In- und Ausland nach wie vor auf deutsche Staatsschulden versessen? Vielen Kreditinstituten mangelt es nicht an Geldkapital, sondern an Vertrauen in andere Banken. So sind die sicheren Anleihen des Bundes für Banken eine anziehende Geldanlage, trotz der minimalen Verzinsung. Im Juni begnügten sich Anleger mit einer Rendite von 0,47 Prozent. Spanien musste zur gleichen Zeit 3,32 Prozent für frisches Geld zahlen.

Staatsanleihen sind außerdem für Banken wie Bargeld. Sie können die Papiere bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit hinterlegen und erhalten im Gegenzug eine Gutschrift aufs Konto. Dieses Giralgeld kann daraufhin an Firmen und Häuslebauer gewinnträchtig ausgeliehen werden.

Unterm Strich verkauft Schäubles Finanzagentur annähernd drei Viertel der Bundespapiere an Banken und Sparkassen. Das letzte Viertel wird großenteils von Versicherungen übernommen. Kleinsparer spielen nur eine politisch motivierte Nebenrolle. Zwischen fünf und zehn Milliarden Euro dürfen Bundesbürger 2010 direkt in Bundesschatzbriefen ansparen, um das Staatsdefizit zu lindern und sich als Bürger mit Staatseigentum zu fühlen.


Lexikon

Die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen im Besitz des Bundes. Es wurde im Jahr 2000 gegründet und ersetzte die bis dato zersplitterte Verwaltung der Bundesschulden. Kleinanleger haben die Möglichkeit, dort Staatsanleihen direkt und gebührenfrei zu erwerben sowie deponieren zu lassen. Die Agentur setzt auch derivative Instrumente ein und führt Geldmarktgeschäfte zum Ausgleich des Kontos des Bundes bei der Bundesbank durch. ND

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