Europas gläserner Bankkunde wird abgesegnet

EU-Parlament gibt Widerstand gegen neues Bankdatenabkommen mit den USA auf

  • Dominic Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Zustimmung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (EP) zu einem neuen Abkommen über den Austausch von Bankdaten zwischen der Europäischen Union und den USA ist die Zustimmung im Plenum des EP an diesem Donnerstagvormittag nur noch Formsache. Placebo-Nachverhandlungen und eine vermeintlich wachsende Sicherheitslücke im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ließen auch Sozialdemokraten und Liberale einknicken.

Das jahrelange Tauziehen um die Übermittlung von Bankdaten an das US-Heimatschutzministerium und rund 20 weitere US-Geheimdienste wird mit der heute zu erwartenden Zustimmung des EP sein Ende finden. Mit ihrer Ablehnung des neuen Bankdatenabkommens werden Vereinigte Linke und Grüne ziemlich einsam dastehen. Noch im Februar hatte eine weit größere Front, der auch Liberale und Sozialdemokraten angehörten, ein erstes Abkommen abgelehnt. Mit diesem sollte eine seit 2001 teilweise rechtswidrig praktizierte Übermittlung von Bankdaten an die USA legalisiert werden. Millionen internationale Bankdaten wurden so in den letzten Jahren auf Vorrat weitergereicht. EU-Bürger, die Finanzaktivitäten mit dem außereuropäischen Ausland abwickelten, konnten dadurch ins Visier US-amerikanischer Terrorfahnder geraten. Verdächtig machte sich bereits jeder, der einer humanitären Organisation in Afghanistan, Jemen oder Irak Geld spendete.

Warum Liberale und Sozialdemokraten in Brüssel nun allerdings dem neuen Abkommen zustimmen, ist kaum zu verstehen, denn die Änderungen zum ersten Entwurf sind reine Kosmetik. Weiterhin werden große Datenmengen an US-Geheimdienste weitergereicht, die diese fünf Jahre speichern dürfen. Eine juristische Kontrolle, wie sie Liberale und Sozialdemokraten noch vor Monaten forderten, ist kaum gewährleistet, ein Gutachten des juristischen Dienstes wollte man in Brüssel nicht abwarten. Vielmehr soll zukünftig die europäische Polizeibehörde EUROPOL die Anfragen der US-Ermittler überprüfen. Polizisten überprüfen also Polizisten. Auch die Informations- und Widerspruchsrechte von Betroffenen halten kaum datenschutzrechtlichen Vorgaben Stand.

Und während ihre Schwesterfraktionen in Europa bereits auf die Position europäischer Innenminister eingeschwenkt sind, versuchen deren deutsche Ableger den Schein der »Bürgerrechtspartei« aufrecht zu erhalten. Der FDP ist dies kaum mehr abzunehmen. Mit dem Verstummen der liberalen Bundesjustizministerin wurde auch aufgegeben, die Zustimmung der Bundesregierung im zuständigen Ministerrat vor wenigen Tagen zu verhindern. Die SPD-Bundestagsfraktion hingegen ist Opfer einer Praxis geworden, die sie selbst als Regierungspartei gegenüber dem Bundestag jahrelang befördert hatte. Trotz der im Vertrag von Lissabon enthaltenen Mitbestimmungsrechte nationaler Parlamente im Bereich der Innen- und Justizpolitik und der Konkretisierung des Beteiligungsgesetzes zum Lissabonner Vertrag nach Klagen der LINKEN in Karlsruhe wurden auch die Sozialdemokraten vom Faktor Zeit überrollt. Und dies hatte System. Nach dem Scheitern des ersten Vertragsentwurfs im Februar hatte die EU-Kommission eiligst auf die Aufnahme neuer Verhandlungen zwischen der EU und den USA gedrängt. Kaum einen Monat nach dem Beschluss im zuständigen EU-Ministerrat über die Aufnahme von Neuverhandlungen wurde auch schon das fertige Abkommen präsentiert. Zu diesem Zeitpunkt mühten sich noch LINKE und SPD im Bundestag, Verhandlungsziel und -auftrag gegenüber der Bundesregierung festzulegen.

Als die entsprechenden Anträge endlich den zuständigen Bundestagsinnenausschuss erreichten, hatte der EU-Ministerrat längst über das neue Abkommen – im schriftlichen Umlaufverfahren binnen weniger Stunden – abgestimmt. Parallel zur heutigen Abstimmung im Europäischen Parlament versucht DIE LINKE mittels zweier Anträge eine endgültige Zustimmung der Bundesregierung zum Abkommen auf EU-Ebene zu verhindern. Im Innenausschuss ist damit die Fraktion am Mittwoch gescheitert, genauso wie SPD und Grüne. Und so wird das Abkommen aller Voraussicht nach am ersten August in Kraft treten.

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