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Das Historien-Puzzle

Mit der Tell Halaf-Sammlung sind wichtige Zeugnisse syrischer Kulturgeschichte wiedererstanden

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Datum der Präsentation in der Arbeitshalle der Staatlichen Museen zu Berlin war sorgsam gewählt. Denn am 15. Juli 1930, 80 Jahre zuvor, hatte der Archäologe Max von Oppenheim nicht nur seinen 70. Geburtstag gefeiert, sondern sich auch den größten Wunsch erfüllt: die Eröffnung seines privaten Museums für die zwischen 1911 und 1913 sensationell ergrabenen Fundstücke. Erst mit 50 konnte der Kölner Bankiersspross seinen Traum leben.

Am Tell Halaf in der Wüste Syriens, Grenzgebiet heute zur Türkei, legte er in einer Zitadelle zwei Paläste aramäischer Fürsten frei. Im Gegensatz zum schmucklosen, späteren Nordostpalast zeichnete sich der ins 9. vorchristliche Jahrhundert datierte Westpalast durch kostbaren Baudekor aus. So trugen im Haupteingang drei monumentale Tierbasen – zwei Löwen, ein Stier – Götterplastiken, die als Säulen des Türsturzes fungierten. Sphingen und Greife bewachten die Zugänge, fast 200 reliefierte Platten schmückten die Palastmauern, Skulpturen tauchten auch in Grüften auf. Als Oppenheim zudem eine jungsteinzeitliche Siedlungsschicht, 6000-5300 v. Ch., freilegte, machte ihn der Grabungserfolg weithin berühmt.

Was er mit nach Berlin brachte, nationale Antikengesetze gab es damals noch nicht, konnte er nicht auf der Museumsinsel zeigen. So baute er zwei Gebäude einer ehemaligen Charlottenburger Maschinenfabrik zum viel beachteten Tell Halaf-Museum um. Bis 1943 die Katastrophe kam: Eine Phosphorbombe der Alliierten zerstörte das Museum, alle Exponate aus Kalkstein, Holz, Gips verbrannten, das Löschwasser ließ die Skulpturen und Reliefs aus Basalt zerbersten. Verloren schien die Sammlung, ihre Bruchstücke lagerte man im Rohrkeller des Pergamonmuseums ein. Erst 1993 sichtete ein Mitglied der Familie Oppenheim jene Reste und stieß damit eine spektakuläre Aktion an.

Ab 2001 puzzelte ein Team aus Forschern und Restauratoren neun Jahre lang, finanziert von mehreren Oppenheim-Stiftungen, aus rund 27 000 teils kleinsten Fragmenten 40 der verloren gewähnten Großplastiken aus Basalt zusammen. So stehen sie derzeit stolz in den Arbeitshallen Friedrichshagen, fein geklebt, manche noch bandagiert, künden von einer fast vergessenen Kultur in Syrien – und warten auf ihren großen Auftritt. Wenn sie ab Januar 2011 eine Exposition des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum präsentiert, dann kehren »Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf« offiziell zurück ins kulturelle Bewusstsein.

Beeindruckend würdevoll ragen sie auch ohne museales Konzept in ihrem derzeitigen Domizil auf, die weibliche Sitzfigur mit den ergänzten Zöpfen, Löwe, Sphinx, basaltene Reliefplatten mit Bogenschütze oder Raubtier. Ein Glücksfall sind jene Reliefs aus gerötetem Kalk, die Oppenheim eher unfreiwillig auf der Museumsinsel deponierte und die so dem Brandinferno entgingen.

Wie man sich die Rekonstruktion vorzustellen hat, erläutert Nadja Cholidis, die wissenschaftliche Projektleiterin. Zuerst stellte man Oberflächendekors, nach Poren etwa oder Barthaaren, zusammen, sortierte, nummerierte, verglich mit den rund 13 000 durch Oppermann vorhandenen Fotos. Aus 2600 Trümmern ließ sich ein Greif, aus 900 ein Relief mit Löwe justieren. Manche Stücke sind unlösbare Verbindungen mit Dachteer, Glassplittern, Nägeln eingegangen. Das schmälert nicht ihren künstlerischen Wert.

Ausstellung ab 28.1., Nordflügel Pergamonmuseum; Publikation zu Tell Halaf Bd. 5, Verlag de Gruyter, Berlin, Gebunden, € De Gruyter, ISBN 978-3-11-022935-6

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