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Die Tricks der Schädlinge

Museum für Naturkunde zeigt noch bis Sonntag »Parasiten – life undercover«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen großen Raum »nur« füllt im Museum für Naturkunde die Sonderausstellung »Parasiten – life undercover«. Der aber hat es in sich. Auf mehr als 20 reich ausgestatteten Schautischen und vielen Lesesäulen informiert er über eines der Wunder der Evolution, wiewohl ein zumeist unangenehmes. Gleich am Eingang schrecken Fakten. Durch Insektenstiche verteilte Würmer können extreme Ödeme erzeugen, die unter Elephantiasis bekannt sind. Lagern sich diese Larven im Auge ab, ist Erblindung die Folge. Das Alarmzeichen: Medikamentös sind diese Eindringlinge nicht abzutöten. Geschickt gehen Pärchenegel vor. In der menschlichen Haut siedelt sich das Männchen an, bildet in seiner Bauchfalte das Weibchen aus; als »Tarnanzug« zieht sich das Paar Oberflächenmoleküle der roten Blutkörperchen über – unser Immunsystem bemerkt es damit nicht.

Kontaminiertes Erdreich, gedüngt etwa mit Fäkalien, ist Nährboden für Würmer; wer barfuß läuft, riskiert ihren Eintritt in die Haut. Gefahren lauern überall in rohem Fleisch und Fisch. Nach Schätzungen der World Health Organisation sind rund zwei Milliarden Menschen von Würmern befallen. Epidemisch breiten sich weitere parasitär bedingte Krankheiten aus: Bei der von Plasmodien erregten Malaria gibt es 270 Millionen Neuerkrankungen und fast drei Millionen Tote pro Jahr, die von der Sandmücke übertragene Leishmaniose zählt noch zwei Millionen »Neue« im Jahr, die durch Tsetsefliegen infizierte Schlafkrankheit eine halbe Million. Verursacher sind jeweils Einzeller.

Selbst besiegt geglaubte Seuchen wie Pest und Cholera sind auf dem Vormarsch, hinzu kommen Vogel- und Schweinegrippe, Ebola, SARS sowie, schlimmer beinah, unbekannte neue Krankheiten. Das Leben in Megacitys mit ihren Elendsgürteln trägt dazu bei. Migration, Mobilität, Mangel an Hygiene, Armut helfen die Erreger verbreiten, Antibiotika versagen. Das Afrikanische Schweinefieber trat schon in Georgien und Russland auf. Als gespenstisches Panorama verzeichnet eine Weltkarte alte und neue Seuchen. So leiden allein 300 Millionen Menschen an von Milben ausgelöster Krätze. Milben, liest man, leben friedlich neben Läusen und Wanzen, Ungeziefer stört sich eben gegenseitig kaum. Kennt man Wanzen eher aus den Erzählungen über die Jahre nach dem Krieg, breiten sie sich in den USA, sogar in London gerade wieder aus. Bis zu zehn Jahre können Taubenzecken ohne Nahrung überleben, bis 500 Exemplare finden sich im Taubennest. Wie all diese Tiere aussehen, auch das zeigt die Ausstellung, ob lebend, im Präparat oder Modell.

Wie raffiniert Parasiten vorgehen, nötigt fast Respekt ab. So steuern sie ihre Wirtstiere fremd. Mit Einzellern infizierte Insekten etwa stechen häufiger. Lagern sich Leberegellarven in Ameisen ein, beißt sich die Ameise an einem Halm fest und kann vom Schaf gefressen werden. Andere Befallene verlieren Ängste und Instinkte. Auch Wildtiere im Großstadtdschungel, Fuchs und Waschbär, bringen Parasiten mit. Ebenso greift der Klimawandel ein: Höhere Temperaturen bedingen kürzere Entwicklungszeiten für die Parasiten, Touristen wirken als Transporter – bei allein 850 Zeckenarten eine Bedrohung von globalem Ausmaß. Tröstliche Gegenbeispiele: Blutegel und Fliegenmaden sind medizinisches »Hilfspersonal« bei Gerinnseln respektive zur Wundbehandlung.

Dass Landkinder ihr Immunsystem besser trainieren, erklärt die Allergien bei Stadtmenschen. Auch die Haustiere befördern fleißig Parasiten, über Nutztiere gelangen Erreger in Lebensmittel. Die Tricks der Parasiten, von Anpassung bis zu Kastration und Feminisierung des Wirts, sind verblüffend.

Bis 25.7., Museum für Naturkunde, Invalidenstr. 43, Mitte

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