Regress für Verspekulieren?

Rüdiger Sagel über die rechtliche Aufarbeitung des West LB-Skandals / Der frühere Grünen-Politiker ist finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Düsseldorfer Landtag

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Regress für Verspekulieren?

ND: Manager der WestLB haben 600 Millionen Euro verspekuliert. Schrottpapiere für 85 Milliarden Euro mussten in eine »Bad Bank« ausgelagert werden. Wie konnte das passieren bei einer Bank, die sich in öffentlichem Eigentum befindet?
Sagel: Ich habe den Eindruck, die Vorstände haben die Transaktionen, die Mitarbeiter tätigten, nicht im Detail verstanden. Da wurden Risikogeschäfte eingegangen wegen einer hohen Renditeerwartung. Das darf nirgendwo passieren, nicht bei einer öffentlich-rechtlichen, nicht bei einer Privatbank. Deswegen fordert die LINKE ja ein Verbot von Spekulationsgeschäften. Bei der WestLB kommt aber ein weiteres Problem hinzu: Hier werden die Geschäfte öffentlich-rechtlich abgesichert. Gezockt wurde mit öffentlichen Geldern. Haften muss der Steuerzahler.

Die Ermittlungen gegen Ex-Bankvorstände wurden eingestellt. Im Gegenzug muss Ex-WestLB-Boss Thomas Fischer 150 000 Euro zahlen, seine Mitverdächtigen berappen noch weniger. Gerecht?
Das ist ein schlechter Witz. 150 000 Euro entsprechen einem damaligen halben Monatsgehalt Fischers. Die Staatsanwaltschaft stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus. Dreieinhalb Jahre hat sie ermittelt. Sie hat Fehler erkannt und Rechtsbrüche. Dennoch gibt es nur diese geringfügigen Strafen – und eine Einstellung des Verfahrens.

Strafrechtlich ist der Fall abgeschlossen. Was nun?
Die Ex-Banker müssen privatrechtlich in Haftung genommen werden. Ich fordere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans auf, eine Schadensersatzklage einzuleiten. Das ist rechtlich möglich: Die Staatsanwaltschaft hat ja immerhin eine Schuld der Manager festgestellt.

Diese Herren müssen die finanzielle Verantwortung für ihre jahrelange Misswirtschaft tragen. Mit ihren Risikogeschäften haben Fischer und Co. ja nicht nur Milliarden verzockt. Sie haben auch über Jahre Millionen verdient – und zum Schluss sogar noch eine Millionen-Abfindung erhalten.

Was haben die Manager um Thomas Fischer anders gemacht als Friedel Neuber, der langjährige WestLB-Boss, der »rote Baron« und Neben-Industrieminister, der, so das »Manager-Magazin«, »den rheinischen Kapitalismus wie kein anderer« verkörperte?
Sie haben möglichst hohe Gewinne für die WestLB angestrebt, damit sie möglichst hohe Boni erhalten. Sie drängten immer mehr auf die internationalen Märkte und in Hochrisikogeschäfte.

Die LINKE fordert eine Vergesellschaftung, eine »Versparkassung« der privaten Banken. Mit Blick auf die WestLB: Ist das die allein selig machende Lösung?
Das Beispiel WestLB zeigt, dass öffentlich-rechtliche Banken nicht per se besser sind als private. Sie bieten aber eine bessere Chance für demokratische Kontrolle. Die muss allerdings genutzt werden. Die WestLB sollte sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Den europäischen Markt, die Versorgung des Mittelstandes mit Krediten und die Zentralbankfunktion für die Sparkassen.

Demokratische Kontrolle – im Forderungskatalog der LINKEN gibts die im Dutzendpack. Was bedeutet demokratische Kontrolle in diesem Fall konkret?
Es muss öffentlichen Einfluss auf die Gewinnverteilung und Gewinnausschüttung geben. Die Kontrolle sollte von Sachverständigen ausgeübt werden, die vom Parlament eingesetzt werden. Die Gewinne müssen wieder in die öffentlichen Haushalte fließen. Auch die Verträge der West LB müssen kontrolliert werden. Für die Geschäfte muss Transparenz herrschen.

Fragen: Marcus Meier

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