»Wir lassen Müller nicht davonkommen«

Die Saar-SPD verlangt, dass die Christdemokraten für unzulässige Wahlwerbung der letzten CDU-Regierung einstehen

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Das saarländische Verfassungsgericht hat der SPD-Klage gegen die damalige CDU-Landesregierung wegen unzulässiger Wahlwerbung bereits Anfang Juli in allen Punkten uneingeschränkt Recht gegeben. Die SPD drängt seither auf eine Erstattung der Kosten durch die CDU. Über welche Beträge reden wir dabei?
Jost: Es geht um mehrere Teile der Staatskanzlei-Öffentlichkeitsarbeit, die vom Verfassungsgerichtshof für illegal erklärt wurden. Eine Zeitungs-Anzeigenkampagne »Der Ministerpräsident informiert«, Broschüren aus dem Regierungsapparat und – man glaubt es kaum – ein persönlicher Brief des Ministerpräsidenten kurz vor der Wahl an sämtliche Landesbedienstete, in dem er sein Wirken gerühmt hat. Wir gehen in der Summe von über 100 000 Euro aus, alleine das Volumen der Anzeigenkampagne lag nachweisbar bei etwa 70 000 Euro.

Die SPD hat Landtagspräsident Hans Ley (CDU) aufgefordert, die jetzt fällige Zahlung der Wahlkampfkostenerstattung für die CDU zu stoppen, bis die Rückerstattung aus der Parteikasse geklärt ist. Bislang hat es auf diese Aufforderung keine öffentlich bekannte Reaktion gegeben. Ist das klare Urteil des Verfassungsgerichts ein »stumpfes Schwert«?
Nein, ganz und gar nicht. Es ist einmalig in der Geschichte des Landes, dass einem Ministerpräsidenten ein Verfassungsbruch nachgewiesen wird. Ein Verfassungsbrecher als Landesvater – das ist eine ungeheuerliche Vorstellung. Dass weder die CDU als Partei noch ein CDU Funktionär von Müller bis Ley auch nur eine Silbe zu dem Vorgang verloren haben, ist erbärmlich. Aber der Plan der CDU, das Ganze über die Sommerpause versanden zu lassen, ist misslungen. Wir lassen Müller nicht davonkommen. Das Verfassungsgericht hat ein klares Urteil gesprochen. Und daraus müssen Konsequenzen gezogen werden.

Die SPD hat nun auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) aufgefordert, die Vorgänge unter dem Aspekt der Parteienfinanzierung zu überprüfen und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Inwiefern ist bei den festgestellten Verfassungsverstößen durch die Landesregierung der Bundestagspräsident gefragt?
Der Bundestagspräsident überwacht die Einhaltung des Parteiengesetzes und kontrolliert die Weitergabe der staatlichen Zuschüsse an die Parteien. Es ist sicherlich nicht im Parteiengesetzt vorgesehen, dass sich die CDU ihren Wahlkampfetat vom Steuerzahler aus der Staatskanzlei-Kasse kofinanzieren lässt.

Im Saarland hat der Ministerpräsident verfassungswidrig mit Anzeigen und einem Brief an die Landebeschäftigten für seine Wiederwahl geworben. In Bayern gibt es heftigen Streit in der sogenannten »Umfrage-Affäre«. Sind die Vorgänge vergleichbar?
Der Vorgang im Saarland ist formal zunächst viel schwerwiegender, weil das Verfassungsgericht höchstrichterlich festgestellt hat, dass im Saarland gegen das halbe Grundgesetz verstoßen wurde. Aber mit Umfragen können wir im Saarland auch gerne dienen: In den letzten 10 Jahren hat die CDU-Staatskanzlei laut Antwort auf eine Fraktions-Anfrage Umfragen im Umfang von rund 300 000 Euro finanziert. Auch das wird jetzt ein Thema werden. Im Kern geht es darum: Müller betrachtet das Land als sein Eigentum, Partei und Staat sind für ihn ein und dasselbe, die Saarländer betrachtet er als eine Art »Untertanen«. Daher war er ja nach der Landtagswahl auch wie ein kleines Kind beleidigt, weil ihm »sein Volk« das Vertrauen entzogen hatte. Müller ist von der Wirklichkeit entrückt. Und wir holen ihn gerne auf den Boden der Tatsachen zurück.

Solche Vorgänge fördern offenbar nicht gerade das Vertrauen der Wähler in die Politik. Welche Konsequenzen müssen aus diesen Vorgänge gezogen werden?
In der Tat, als Opposition könnte man sich freuen, als demokratische Partei müsste man aber eher weinen: Mit solchen Methoden verschreckt die CDU die Bürger, die sich dann angewidert von der Politik abwenden. Da hilft nur absolute Offenheit, Transparenz und Reue. Aber mit seiner »Tote Maus» Politik macht es Müller für sich und die CDU nur mit jedem Tag schlimmer.

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