Grüne haben auch Kröte Ahlhaus geschluckt

Der neue Bürgermeister in Hamburg – ein konservativer Hardliner und ehrgeiziger Karrierist gibt sich moderat

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 5 Min.
Hamburgs Ex-Innensenator Christoph Ahlhaus wird die Hansestadt regieren. Anders als Vorgänger von Beust gilt er als konservativer Hardliner. Trotzdem wählten ihn auch die Grünen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Diese Zeile aus einem Gedicht von Hermann Hesse wurde 2008 oft zitiert, als CDU und Grün-Alternative Liste (GAL) in Hamburg über die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene verhandelten. Dass das ungleiche Parteienpaar zusammenkam, war das Werk von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust. Der weltoffene, liberale Christdemokrat war mutig genug, das Wagnis einzugehen. Jetzt hat Beust seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Sein Nachfolger ist der bisherige Innensenator Christoph Ahlhaus.

Der Jurist wird die Hamburger sicherlich nicht verzaubern. Den spröden Macher umgibt keine Magie. Über ihm wird immer der Fluch seines Vorgängers liegen, des in der Hansestadt sehr beliebten Ole von Beust, der 2001 als blonder Sonnyboy die SPD das Fürchten lehrte und die Sozialdemokraten nach 44 Jahren aus der Regierung warf. Anders als Beust gilt Ahlhaus als ehrgeiziger Karrierist, der auf dem Weg nach oben selten Fehler macht. Dafür respektieren ihn die Hamburger. Aber ihre Zuneigung gilt lockeren Typen wie dem charmanten Ole, wie der scheidende Bürgermeister in seiner Stadt genannt wird.

Erfolgreich Wahlkampf für Beust geführt

Der seit 2006 mit der Betriebswirtin Simone verheiratete Ahlhaus stammt aus einer wohlhabenden Familie in Heidelberg. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er Jura. Mitglied in der CDU ist er seit 1985. 2001 heuerte er als Landesgeschäftsführer bei der Elbunion an und steuerte 2004 erfolgreich den Wahlkampf von Ole von Beust. Die Parole »Alster, Michel, Ole« brachte dem Kandidaten die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft. Anschließend stieg Ahlhaus zum innenpolitischen Sprecher der Fraktion auf. Nach einer Zwischenstation als Staatsrat wurde er im März 2008 Innensenator.

Ob Ahlhaus, der statt des liberalen und mit den Hufen scharrenden Sozialsenators Dietrich Wersich für das Bürgermeisteramt nominiert wurde, wirklich der geeignete Kandidat ist, bezweifeln sogar Parteikollegen. »Er kommt nun nicht gerade aus Hamburg«, rutschte dem Hamburger CDU-Chef Frank Schira heraus. »Aber er wird das schon machen.« Trotz hoher Intelligenz, die ihm attestiert wird, ist der stets perfekt vorbereitete und gut informierte Ahlhaus alles andere als ein Feingeist. Der Mann mit der Statur eines Bären und den leicht angegrauten Schläfen kann kräftig auf den Putz hauen, zumindest verbal. So kritisierte der 40-Jährige die aus seiner Sicht zu wenigen Abschiebungen von Asylsuchenden (vor seinem Amtsantritt als Innensenator). Außerdem forderte er, in der Kriminalstatistik die Herkunft von Straftätern zu erfassen (in seinem Amt).

Zuletzt verlangte der konservative Hardliner auf der Innenministerkonferenz drakonische Strafen bei Übergriffen auf Polizisten, Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte. Es dürfe nicht sein, dass die Beschädigung eines Streifenwagens härter bestraft werde als die Verletzung eines Beamten, argumentierte er. Außerdem machte er sich für ein Verbot von gewalttätigen Rockerbanden und ein Alkoholverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln stark. Ahlhaus selbst bezeichnet sich als »Wertkonservativen«. Der will er schon früher gewesen sein: »Beim Räuber-und-Gendarm-Spiel als Kind war ich immer der Gendarm, weil man als Räuber in der Regel den Kürzeren zieht.«

Nur einmal bröckelte das Image des Saubermanns. 2009 geriet Ahlhaus im Zuge der Dienstwagenaffäre unter Druck. Er soll vier Tage lang den gepanzerten Dienstwagen plus Sicherheitsbeamte auch für Privatfahrten in Paris genutzt haben. Der Senator war per Flugzeug zur Konferenz der europäischen Sicherheitsausschüsse in die französische Hauptstadt gereist. Die Tagung dauerte aber nur eineinhalb Tage. Den Rest der Zeit vergnügte sich der CDU-Politiker mit seiner Frau Simone. Er habe sich steuerrechtlich korrekt verhalten, erklärte Ahlhaus später. Der Senat änderte nach diesem Vorfall die Regelungen für Dienstfahrten.

»Eine wachsende Stadt muss auch eine sichere Stadt sein«, lautet Ahlhaus' Credo. Das macht ihn in Polizeikreisen und bei Sicherheitsexperten beliebt. Die Opposition hingegen kreidet ihm fehlendes Augenmaß an. Dass in der Hansestadt Polizeiwachen von Autonomen angegriffen, Autos in Serie abgefackelt wurden und die Feste im Szeneviertel Sternschanze regelmäßig zu Gewalttaten führen, konnte Ahlhaus trotz markiger Worte nicht verhindern. Ahlhaus' neue Villa ist auf jeden Fall sicher. Denn er ließ das Gebäude für rund eine Million Euro mit Überwachungstechnik ausstatten – von Videokameras bis zu schusssicherem Fensterglas. Für weiteren Unmut sorgte, dass auch Althaus' Zweitwohnung in seinem Heimatort Heidelberg vor zwei Jahren für 200 000 Euro mit Sicherheitstechnik aufgerüstet wurde.

Doch Ahlhaus kann auch anders. Mit der Innenpolitikerin Antje Möller vom linken Flügel der GAL bildete er ein gegensätzliches, aber letzthin stabiles Duo innerhalb der Koalition. »Wer die Kommunikation zwischen den beiden beobachtet hat, weiß, dass Christoph Ahlhaus ein toleranter Gesprächspartner ist – auch er hat durchaus seine liberalen Wurzeln«, betont der CDU-Fraktionschef Frank Schira, der im parteiinternen Konkurrenzkampf gegen Ahlhaus mit dem christdemokratischen Landesvorsitz abgefunden wurde.

»Pragmatismus« gegenüber der GAL

Zuletzt bemühte sich Ahlhaus, moderater und diplomatischer zu wirken. Als die Rücktrittsspekulationen um die Person Ole von Beust ins Kraut schossen und die Nachfolgekämpfe in der Union begannen, hielt er sich vornehm zurück. Denn Ahlhaus ist schlau und weiß: Einer, dem der Ruf des Lautsprechers und Law-and-Order-Verfechters vorauseilt, wird es sonst noch schwerer mit den Grünen haben. Der Politiker selbst beschrieb sein Verhältnis zur GAL als »durch Verlässlichkeit und Pragmatismus gekennzeichnet«.

Zunächst reagierten die Grünen zurückhaltend auf die Nominierung des Kandidaten, dann beklatschten sie ihn – geschehen auf der Werbeveranstaltung von Ahlhaus in eigener Sache bei der GAL-Basis am vergangenen Mittwoch. Jetzt will man dem Mann, der in Heidelberger Zeiten mit Studenten der schlagenden Verbindung Turnerschaft Ghibellinia gerne mal ein Bierchen trank, »eine Chance geben«. Aus Angst vor Neuwahlen haben die Grünen nach dem Kohlekraftwerk Moorburg, der Elbvertiefung und Bäumfällungen in großem Ausmaß für die Internationale Gartenschau auch die Kröte Ahlhaus geschluckt.

Die Opposition indes sieht die schwarz-grüne Koalition vor dem baldigen Aus. LINKE-Fraktionschefin Dora Heyenn prognostiziert Neuwahlen bis zum Ende des Jahres. Der Hamburger SPD-Vorsitzende Olaf Scholz ätzte vor der Wahl von Ahlhaus zum Bürgermeister: »Man hat mit von Beust gerechnet und bekommt nun möglicherweise Ahlhaus.« Solche Kommentare der politischen Konkurrenz überraschen weniger als die Stellungnahme von Handelskammer-Chef Frank Horch: »Ich kenne Ahlhaus als Innensenator, weiß aber natürlich nicht, wie er die Herkulesaufgabe als Bürgermeister bewältigen wird. Ich hoffe, dass ihm da auch starke Säulen zur Seite stehen werden.«

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