Grenzen der Toleranz

Neu im Kino: Zwischen uns das Paradies

  • Lesedauer: 2 Min.
Jasmila Zbanic gewann mit »Esmas Geheimnis« den Goldenen Bären der Berlinale 2006. Am Donnerstag startet ihr neuer Film »Zwischen uns das Paradies« in den Kinos. In dem Liebesdrama muss sich die Flugbegleiterin Luna entscheiden, ob sie den Veränderungen im Leben ihres Mannes Amar folgen kann, der sich dem radikalen Islam zugewandt hat. Für ND sprach Katharina Dockhorn mit der 35-jährigen Bosnierin.

ND: Ihr Film hat in ihrer Heimat viele Diskussionen ausgelöst.
Zbanic: Viele Menschen in Bosnien wissen durch hysterische Presseberichte, dass sich rund 3000 junge Männer in islamistischen Gruppen organisieren. Sie waren überrascht, dass sie nicht als blinde Fanatiker, sondern menschliche Wesen porträtiert wurden. Die Mehrheit der Bosnier sieht sich als aufgeklärte Europäer. Sie hassen die Islamisten und versuchen sich abzugrenzen, in dem sie Frauen die Kopftücher vom Kopf reißen. Meinen Nachbar habe ich beobachtet, wie er »Islamisten raus« an eine Hauswand schrieb. Das war der Auslöser für den Film. Ich kann das ebenso wenig tolerieren wie jede andere Art der Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Religion oder Herkunft. Wir dürfen nicht einfach Menschen auffordern, verschwindet aus meinem Land, nur weil wir nicht mit ihrer Meinung übereinstimmen. Diese Haltung war für viele Zuschauer schwierig zu akzeptieren.

Sind die Wunden des Krieges im Alltag noch nicht überwunden?
Es kommt darauf an, in welchen Teil von Bosnien sie gehen. In Sarajevo oder anderen Orten, wo immer verschiedene Religionen zusammen gewohnt haben, ist das heute wieder möglich. Aber in der Gegend von Mostar ist es noch sehr schwierig. Ein wichtiger Schritt war, dass sich die jetzige kroatische Regierung für die Verbrechen im Krieg entschuldigt hat. Dafür sind sie von den kroatischen Nationalisten in Bosnien scharf kritisiert worden. Und mit Serbien ist es natürlich noch schwer, weil sie ihre Kriegsverbrechen noch immer negieren.

Ist dies nicht ein idealer Nährboden für die Islamisten?
Muslime aus aller Welt kamen während des Kriegs, um uns zu verteidigen. Mit ihrer Ideologie konnten sie leicht bei Familien landen, die Angehörige oder ihr Hab und Gut verloren hatten, die nach Glauben und Halt suchten. Doch letztlich ist der muslimische Glaube, der die Veränderungen bei Amar auslöst, nur eine Metapher. Es geht mir um die grundlegende Frage, wo die Grenzen der eigenen Toleranz liegen – in der Familie und in der Gesellschaft. Wenn Luna mit jemanden das Bett teilt, der Dinge gut heißt, die sie selbst nicht billigt, entstehen Probleme. Was passiert, wenn man jemanden liebt, er aber sein Leben grundsätzlich ändert? Wann wird die Belastung für die Beziehung so groß, dass Luna zu ihr Nein sagen muss, um sich nicht selbst zu verlieren?

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal