Sachsen will Gründung freier Schulen abwürgen

Verband: Einrichtungen sind Antwort auf verfehlte Schulpolitik

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsen kürzt die Zuschüsse an freie Schulen, und zwar nicht nur aus Geldmangel, sondern aus politischen Gründen. Dabei riskiert die regierende CDU sogar Zoff mit den Kirchen.

Weggegangen, Platz gefangen – in diese lakonische Formel lässt sich die Botschaft fassen, dass preisgegebenes Terrain neu besetzt wurde, ohne dass Beschwerden akzeptiert würden. Weggegangen, Platz gefangen – mit dieser Formel lässt sich auch der sagenhafte Zuwachs bei freien Schulen in Sachsen fassen. Allein die Zahl der Mittelschulen in freier Trägerschaft ist seit 2003 von zehn auf 51 explodiert.

Das hat gute Gründe, sagt Konrad Schneider, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen (AGFS). Der wesentliche ist die Schließungen zahlreicher Schulen im Freistaat. Das Kultusministerium wollte damit auch bei drastisch sinkender Schülerzahl die Qualität des Unterrichts erhalten. »Sie haben allerdings Botschaften der Eltern nicht ernst genommen«, sagt Schneider, »nämlich den Wunsch nach Schulen in Wohnortnähe«. Je mehr staatliche Schulen geschlossen wurden, um so mehr freie Einrichtungen seien gegründet worden. Sei das Motiv zur Errichtung in den 90er Jahren oft der Wunsch nach alternativen Unterrichtsformen gewesen, »geht es jetzt vor allem um die Nähe zur Schule«.

In Kultusministerium und CDU-Fraktion gibt dieser Konflikt schon länger Anlass zur Klage; jetzt wird gehandelt. Im Doppelhaushalt für 2011/12 wurden die Zuschüsse für die freien Schulen um zehn Millionen Euro gekürzt. Pro Schüler erhielten diese elf Prozent weniger Geld, sagt Schneider; zudem müssten künftig neu gegründete Schulen vier statt drei Jahre ohne Geld vom Land überstehen. Selbst Mittel, dank derer Kindern aus sozial schwachen Familien das Schulgeld erlassen wird, werden gestrichen.

Dass es sich um mehr als allgemeinen Sparzwang handelt, offenbarte Steffen Flath, CDU-Fraktionschef und Ex-Kultusminister, in einem Interview. Es handle sich um eine »Fehlentwicklung«, die beendet werden müsse: Er könne »damit leben«, wenn in den nächsten zehn Jahren gar keine freien Schulen mehr gegründet würden.

Erwartungsgemäß hagelte es im Anschluss Kritik. »Bedarfsplanung für freie Schulen ist verfassungsrechtlich nicht vorgesehen«, sagte die grüne Schulpolitikerin Annekatrin Giegengack, deren Fraktion juristische Schritte prüft. Andere Oppositionspolitiker merkten an, dass die Gründung freier Schulen erst seit 1989 wieder möglich sei und nicht abgewürgt werden dürfe. Besonders pikant ist, dass auch die Kirchen ihren Widerstand ankündigten und eine Kampagne unter dem Titel »Damit´s bunt bleibt« starteten. Von den 170 allgemeinbildenden Schulen, an denen rund 23 000 Kinder lernen, sind allein 46 in evangelischer und sechs in katholischer Trägerschaft.

Vor allem diese Entwicklung beunruhigt offenbar auch die Union. Es sei für ihn als Christ ein »Problem, wenn die CDU mit der Kirche über Kreuz liegt«, sagte Flath. Die CDU werde weiter alle berechtigten Interessen der Kirche vertreten, die allerdings im Gegenzug keine Oppositionspolitik betreiben oder – Alptraum des CDU-Fraktionschefs – eines Tages gar mit der LINKEN vor dem Landtag demonstrieren sollten: «Kirche ja, aber bitte nicht als Opposition zur CDU.«

Die Äußerung wiederum brachte LINKE-Fraktionschef André Hahn in Harnisch, der Flath vorwarf, eine »Staatskirche« zu propagieren und sich zugleich anzumaßen, als »Staatspartei« über die Berechtigung freier Schulen zu entscheiden. Der evangelische Landesbischof Joachim Bohl konterte kühl, aber nicht weniger bissig. Er halte, erklärte er in Flaths Richtung, das »Risiko einer Partei, in der Opposition zu landen, für wesentlich größer als das einer Kirche«.

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