Lindner: Bußgeld für Integrationsunwillige

Linkspartei kritisiert FDP-Generalsekretär / Muslime schreiben offenen Brief an Wulff

  • Lesedauer: 3 Min.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat vorgeschlagen, Bußgelder gegen integrationsunwillige Migranten zu verhängen.

Berlin (AFP/ND). In der Debatte über eine bessere Integration von Migranten hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner die Verhängung von Bußgeldern vorgeschlagen. Eltern, die nichts gegen das Schulschwänzen ihrer Kinder unternähmen, sollten zur Kasse gebeten werden, sagte Lindner der »Passauer Neuen Presse« Die Linkspartei kritisierte den Vorschlag.

Rechtlich sei eine Verhängung von Bußgeldern bereits jetzt möglich, doch fehle es den Behörden oft an Konsequenz, kritisierte Lindner am Montag in Berlin. Auch mangele es oft am Datenaustausch zwischen den einzelnen Stellen. Der »Passauer Neuen Presse« sagte der FDP-Politiker: »Man sollte Eltern zunächst einmal durch geeignete Beratungsangebote unterstützen und ihre Erziehungskompetenz fördern. Bei einigen ist es aber nicht Unvermögen, sondern Unwille.« Wenn Eltern jedoch »tatenlos sind und durchgehen lassen, dass ihre Kinder die Schule schwänzen, sollte ein Bußgeld verhängt werden«. Einen Mangel an Zuwendung und Engagement für Kinder gebe es aber auch bei Eltern ohne Migrationshintergrund, räumte Lindner ein.

Linkspartei-Vorstandsmitglied Rosemarie Hein kritisierte, der FDP-Generalsekretär wisse nicht, wovon er spreche. »Die zwangsweise Zuführung von Kindern und Jugendlichen zur Schule hebt keinesfalls ihre Freude am Lernen«. Solche Maßnahmen seien »demotivierend und darum kontraproduktiv«. Das eigentliche Problem, »massive Defizite im bundesdeutschen Bildungssystem«, ließe sich so nicht beheben.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz forderte die Bundesregierung auf, ausreichend Plätze für Deutsch- und Integrationskurse zur Verfügung zu stellen. »Der Volkshochschulverband hat errechnet, dass bundesweit derzeit etwa 20 000 Migranten auf Kurse warten«, erklärte Schulz in Berlin. Alleine in der Hauptstadt fehlten 1000 Plätze.

Unterdessen wandten sich säkulare und religiöse deutsche Muslime mit einem offenen Brief an Bundespräsident Christian Wulff. »Wir bitten Sie, gerade in der derzeitigen angespannten Stimmung für die Leitsätze einer offenen, von gegenseitigem Respekt geprägten demokratischen Kultur einzustehen«, schreiben die Unterzeichner in dem Brief, der der »taz« vorliegt. Darin beziehen sie sich auf Wulffs Rede zu seinem Amtsantritt vor zwei Monaten. Damals hatte er gefragt, wann in Deutschland nicht mehr die Herkunft der Bürger über ihre Zukunft entscheiden werde, sondern ihr Ziel und ihre Qualifizierung.

Die Unterzeichner kritisierten eine teils »aggressive und diffamierende« Tonlage in der öffentlichen Debatte. Zu den Unterzeichnern des Briefes zählen unter anderem der Filmemacher Fatih Akin und die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur.

Migranten schaffen 150 000 Arbeitsplätze

Menschen mit ausländischen Wurzeln schaffen zehntausende von Jobs in Deutschland: Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) entstehen in diesem Jahr rund 150 000 Arbeitsplätze in von Migranten neu gegründeten Unternehmen, wie die »Berliner Zeitung« berichtete. Fast jeder fünfte potenzielle Existenzgründer in Deutschland stammt demnach aus einer Zuwandererfamilie. 2007 lag der Anteil noch bei 14 Prozent. Im vergangenen Jahr haben sich laut DIHK fast 11 000 potenzielle Unternehmer mit ausländischen Wurzeln bei den regionalen Industrie- und Handelskammern beraten lassen. Zwei Jahre zuvor seien es erst 8300 gewesen.

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