Politinteressen kontra Patientenleben

  • Oliver Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Koordinator der Medikamentenkampagne bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland.
Der Autor ist Koordinator der Medikamentenkampagne bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland.

Fünf Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den drei großen Infektionskrankheiten Aids, Tuberkulose und Malaria. Eine unaufhaltsame, hoffnungslose Tragödie? Nein! Diese Krankheiten sind nicht nur vermeid- und behandelbar, es gibt auch wichtige Fortschritte bei Prävention und Therapie.

Zum Beispiel HIV/Aids: Heute haben fünf Millionen Menschen ihr Leben der so genannten antiretroviralen Therapie gegen das HI-Virus zu verdanken. Vor drei Jahren erhielten gerade einmal halb so viele diese lebensverlängernden Medikamente. Allein Ärzte ohne Grenzen behandelt derzeit auf diese Weise 162 000 Menschen in 25 Ländern. Zehn Millionen Menschen benötigen dringend eine Aids-Therapie – erhalten sie aber nicht.

Am 4. und 5. Oktober findet in New York die Geberkonferenz des Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria statt. Der Fonds ist das wichtigste Finanzierungsinstrument im weltweiten Kampf gegen die drei Krankheiten. Sein Finanzbedarf für die kommenden drei Jahre liegt bei 20 Milliarden. US-Dollar, das ist eine Verdopplung des Betrages der letzten Finanzierungsperiode – denn heute könnten deutlich mehr Menschen behandelt werden als früher.

Doch jetzt, mitten in voller Fahrt, holen die Regierungen das Stoppschild heraus. Der vom Globalen Fonds benötigte Betrag wird höchstwahrscheinlich nicht zusammen kommen. Erste Ankündigungen der Geberländer deuten darauf hin, dass es höchstens eine kleine Mittelerhöhung geben wird. Frankreich hat eine Anhebung um 20 Prozent angekündigt, Kanada um 30 Prozent. Zu wenig, aber immerhin Erhöhungen.

Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) dagegen kündigt Kürzungen an. In seinem Ministerium gibt es Pläne, die Finanzierung des Fonds ab 2012 komplett einzustellen. Das wäre katastrophal und entspräche 400 Millionen Euro weniger für den Fonds. Damit könnten in den nächsten drei Jahren 350 000 Menschen gegen Aids behandelt oder mehr als zwei Millionen Therapien gegen Tuberkulose finanziert werden. Gleichzeitig haben die Kürzungspläne eine gefährliche Signalwirkung auf andere Geber. Deutschland ist bislang der drittgrößte Geber des Fonds.

Die Pläne der deutschen Regierung sind nicht nur schockierend, sondern auch überraschend. Experten im Entwicklungsministerium, Fachpolitiker im Bundestag, die G8 und auch die deutsche Kanzlerin haben den Globalen Fonds in der Vergangenheit immer wieder für seine erfolgreiche Arbeit gelobt. Auch die FDP hat sich im Wahlkampf für eine Erhöhung der Mittel ausgesprochen.

Die einzige Begründung des Entwicklungsministers für die geplanten Kürzungen ist eine Passage im Koalitionsvertrag, nach der deutsche Entwicklungsgelder künftig stärker bilateral als multilateral ausgerichtet sein sollen. Das heißt, Hilfe soll direkt von der Bundesregierung finanziert oder durchgeführt werden, anstatt Gelder an internationale Institutionen zu geben. Dem Wunsch nach mehr Einflussnahme und der Sichtbarkeit deutscher Hilfe im Ausland, soll ein so erfolgreiches Instrument wie der Fonds geopfert werden. Das wäre völlig unverantwortlich – und gefährdet Hunderttausende Menschenleben.

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