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Prügelnde Beamte: Wieder ein Polizeiproblem
Jana Frielinghaus über die Ermittlungen gegen 17 Beamte in Frankfurt am Main
Nein, um »extremistisch motivierte« Delikte soll es dieses Mal nicht gehen. Vorerst jedenfalls. Muss man bei der Polizei in Frankfurt am Main präventiv betonen. Und das tat die Staatsanwaltschaft denn auch anlässlich einer großangelegten Durchsuchung in vier Polizeirevieren und in Wohnungen von insgesamt 17 Beamt*innen in der Mainmetropole Ende der Woche. Denn gerade Frankfurt ist berüchtigt wegen mittlerweile Hunderter Fälle von Chatgruppen, in denen Polizisten rassistische und schlicht neofaschistische Inhalte teilten und bejubelten.
Aktuell geht es um »Körperverletzung im Amt«. Die Polizisten, gegen die seit Juli schon ermittelt wird, haben demnach mindestens sechs Männer brutal geschlagen, getreten, mit dem Kopf gegen Wände gestoßen und einen eine Treppe hinunter gestoßen.
Die Taten sind die Spitze eines Eisbergs. Laut einer großangelegten Studie der Uni Bochum gibt es bundesweit jährlich mindestens 10 000 Fälle rechtswidriger Polizeigewalt bzw. von Körperverletzung im Amt. Allerdings kommt es nur in den seltensten Fällen zu Ermittlungen, zu Verurteilungen im Promillebereich. Insofern ist der Umfang der Frankfurter Razzien ein Indiz für die Schwere der angezeigten Vorfälle, zu denen es offenbar auch sichergestellte Videoaufzeichnungen gibt.
Das harte Vorgehen ist ungewöhnlich. Denn häufig erstatten prügelnde Polizisten präventiv Anzeige gegen ihre Opfer: wegen »Widerstands« oder gar »tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte«. Die Strafen für diese Delikte wurden in den vergangenen Jahren vom Gesetzgeber drastisch erhöht. Sollte es trotzdem jemand wagen, selbst Anzeige zu erstatten, darf er mit einer sofortigen Gegenanzeige rechnen. Dazu kommt der weiter herrschende Corpsgeist in vielen Revieren: In der erwähnten Studie berichteten Polizei-Whistleblower von Mobbing und sogar Gewaltdrohungen gegen ihre Familie.
Das alles sorgt für massiven Vertrauensverlust in die Polizei, gerade bei migrantisierten und rassifizierten Menschen. Von den Männern, denen Polizisten in Frankfurt am Main schwere Verletzungen zufügten, sind übrigens zwei in Syrien und zwei in Algerien geboren.
Sollten die Ermittlungen weiter so ernsthaft vorangetrieben werden und zu Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter führen, wäre dies ein echter Lichtblick. Doch es braucht endlich unabhängige Beschwerdestellen und wirksamen Schutz für Beamte, die Delikte von Kollegen melden.
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