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Schicht im Schacht

Im Ruhrgebiet ist nun auch der Förderbetrieb im Hammer Bergwerk Ost eingestellt worden

  • Wolfgang Dahlmann, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Letzter Arbeitstag im Bergwerk Ost. Die Kumpel können angesichts des weltweiten Energiehungers den Ausstieg aus der Kohleförderung nicht verstehen. Sie sind enttäuscht.

Hamm. »Dass die Zechen in Deutschland geschlossen werden, kann ich nicht verstehen. Wir könnten noch fördern«, sagt Udo Schillhammer vor seiner letzten Schicht. Jetzt befürchtet der 47- Jährige sogar das frühzeitige Gesamtaus für den deutschen Steinkohlenbergbau, weil nun auch noch die EU-Kommission Druck macht. »Die Kernenergie hat die größere Lobby gehabt«, sagt der Bergmann.

Ein Jahr bleibt Schillhammer noch auf der Hammer Zeche, um wertvolle Maschinen zu bergen und den Deckel zuzumachen. Dann wechselt er wie viele andere Kumpel nach Marl auf Auguste Viktoria. Diese Zeche fördert wie Prosper Haniel in Bottrop und die Anthrazit-Zeche Ibbenbüren noch ein paar Jahre.

Der bevorstehende Abschied steht dem gestandenen Bergmann nach 32 Jahren auf der gleichen Zeche ins Gesicht geschrieben. »Es ist etwas, was sehr wehtut. Man hat sehr viele Leute kennengelernt«, meint er. Wenige Meter weiter reichen sich zwei Kumpel die Hand. »Wir sehen uns irgendwann wieder«, sagen sie zum Abschied. Der eine geht zur letzten Betriebsversammlung, der andere direkt nach Hause. Hauer Winfried Maack hat noch ein Jahr Kurzarbeit vor sich. Dann geht es in den Vorruhestand.

Die Kluft bis zur Rente

»Gott sei Dank habe ich bis auf kleine Wehwehchen keine großen körperlichen Gebrechen zurückbehalten«, meint der 49-Jährige. »Ich würde gerne weiter arbeiten. Aber der Staat will ja nicht.« Finanziell könne er die Einbußen während der Kurzarbeit und der folgenden fünf Jahre gut verkraften. Da gebe es noch einiges an Zulagen. »Dann wird die Kluft bis zum eigentlichen Rentenalter größer«, schätzt der Pendler, der vor zehn Jahren von der Zeche Westfalen im benachbarten Ahlen kam.

Maschinenhauer Roland Wegener ist ausgesprochen sauer auf die Bundesregierung: »Der Ausstieg wird sich irgendwann nicht rechnen. Angesichts des Energiehungers vor allem von China glaubt er an die Chance der Kohle. »Vielleicht kauft bald jemand das Kokskohlefeld Donar nebenan, vielleicht ein ausländischer Konzern.« Im Kohlefeld Donar warten große Mengen dieser wertvollen Sorte auf den Abbau. Erschlossen ist das Feld. Den Deutschen ist der Abbau trotz hoher Preise für Importkokskohle zu kostspielig.

Wegener hat noch vier Jahre, bis er 50 ist. Dann will er nebenher einen Minijob für 400 Euro im Monat annehmen. »Aber nichts Schweres. Das machen die Knochen nicht mehr mit.«

Immerhin gute Ausbildung

Eine Gruppe junger Männer hat noch größere Pläne. Alle sind Auszubildende im dritten Jahr. »Wir sind Industriemechaniker. Nächstes Jahr geht es auf Auguste Viktoria weiter«, sagen sie. »Danach ist Schluss. Keiner wird übernommen.« Die restliche Ausbildung wird für sie besonders anstrengend. Um vier Uhr morgens bringt sie die RAG per Bus vom östlichen Revierzipfel an den nördlichen Rand nach Marl. Immerhin finden sie ihre Ausbildung gut.

Sascha Campar (19) will vielleicht Maschinenbau studieren. »Ich hab über die RAG in der Abendschule das Fachabi gemacht.« Der 18-jährige Harun Akcabelen will das Fachabitur auch nachholen. Die anderen wissen noch nicht genau, wie es nach der Lehre weitergeht. Und auch nicht, wie es mit dem Bergbau insgesamt weiterläuft.

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