Drei Tage in Köln

Rechtsextreme Straftaten häufen sich

  • Marcus Meier, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.
In Köln gibt es immer mehr Straftaten mit rechtsextremem oder antisemitischem Hintergrund. Die Neonazi-Szene ist begeistert. Die Polizei spricht von »mutmaßlich« rechten Tätern und kann keinen Zusammenhang zwischen den Verbrechen erkennen. Der Kölner LINKE-Vorstand Benjamin Wernigk betont, es handele sich nicht um isolierte Einzeltaten.

Gleich drei rechtsextrem oder antisemitisch motivierte Straftaten sind in den letzten Wochen in Köln bekannt geworden, davon zwei, die mit offener Gewalt einhergingen. Am 8. Oktober fand eine laut Polizeibericht »mutmaßlich ›rechte‹ Veranstaltung« in einer Gaststätte im Stadtteil Ehrenfeld statt. Dabei seien laut Polizei »50 - 60 Personen ... zeitweise auf die Straße getreten und sollen dort nach Aussagen von Zeugen durch volksverhetzende Parolen aufgefallen« sein.

Wieder auf freiem Fuß

Mutmaßlich rechts? Das Thema der Saalveranstaltung lautete »Der nationale Sozialismus marschiert«. Es sprachen bekannte Kameraden wie Axel Reitz, der einschlägig JVA-erfahrene »Hitler von Köln«. Ausgelassene Stimmung habe bei den 100 Teilnehmern geherrscht, brüsten sich die »mutmaßlich« Rechten. Auch dank zweier »Liedermacher«.

Drei Tage später, am 11. Oktober, randalierten »junge Männer« (Polizeibericht) der »rechten Szene« (Anführungsstriche im Original) nachts in der Kölner Altstadt. Sie versuchten, ein Straßenschild mit der Aufschrift »Judengasse« abzureißen. Als die Polizei kam, leisteten die »jungen Männer« erheblichen Widerstand: Schläge, Reizgas, mehrere verletzte Polizisten. Die Täter, zwischen 17 und 23 Jahre alt, stammen überwiegend aus Aachen, aber auch aus Köln und anderen Städten des Rheinlandes. Einer von ihnen filmte die Taten mit einem Handy – so kann man auch Beweismittel schaffen. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs, Widerstand, Bedrohung, Beleidigung und versuchter Sachbeschädigung. Sie ließ die Täter aber wieder auf freien Fuß – »wegen Fehlens von Haftgründen«.

Ein Aachener Neonazi kam unlängst in die Schlagzeilen, weil bei ihm explosives Material gefunden worden war. Die Kameradschaft Aachener-Land verkündet auf ihrer Webseite lapidar: »Wir befinden uns im Krieg.« Es könne »nur den totalen Sieg oder den totalen Untergang geben«.

Zwei Tage darauf, am 13. Oktober, wurden drei jüdische Mädchen in einem Bus antisemitisch beleidigt, bespuckt und getreten. Es begann mit Judenwitzen, die 17 und 18 Jahre alten Opfer mischten sich ein. Zwischen 11 (!) und 15 Jahre alt sind die Tatverdächtigen.

Das Neonazi-Forum Altermedia erklärte dazu, es sehe sich aus »rechtlichen Gründen« gezwungen, »die Reaktion der drei Jungen auf die Einmischung der drei Anne-Frank-Verschnitte für Arme nicht gutzuheißen«. Es sei jedoch nicht zu erkennen, was an der Tat »besonders verabscheuungswürdig« sei. Vielmehr handele sich »hier um ein Lehrbeispiel dafür, dass es auch jungen Damen eines Volkes, das sich für den Nabel der Welt hält, nicht zukommt, sich in fremde Gespräche einzumischen«.

Blick auf die Strukturen

Kommentartoren schreiben dazu: »Wo kämen wir dahin, wenn ein paar jüdische Gören meinen, sich in Gespräche anderer einmischen zu dürfen!« Oder sie wettern gegen die »hebräischen Dirnen«, die gefälligst »pflichtgemäß ihren gelben Stern« tragen sollten.

Kölns Polizei verdammt die Taten als »verabscheuungswürdig«. Einen Zusammenhang vermag sie indes nicht zu erkennen. Die Kölner LINKE sieht das anders. »Die Einschätzung der Kölner Polizei, es handele sich um isolierte Einzeltaten von kleinen Gruppen, verschleiert den Blick auf neofaschistische Strukturen in der Region«, erklärt Kreisvorstand Benjamin Wernigk. Es gelte, »aufzustehen und Neonazis entgegenzutreten«.

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