Gewalt hinterlässt tiefe Spuren

Der UNFPA-Weltbevölkerungsbericht verdeutlicht, wie wichtig die Unterstützung für Frauen ist

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der am Mittwoch in Berlin vorgestellte Weltbevölkerungsbericht des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) erzählt Geschichten von Menschen, die bewaffnete Konflikte, Vergewaltigung und Naturkatastrophen überlebten. Um das Leben danach zu gestalten, bedürfen vor allem Frauen der Unterstützung, betonen die Vertreterinnen des UNFPA, der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) und des Entwicklungsministeriums.

Frauen führten selten einen Krieg, litten aber zu oft unter seinen schlimmsten Folgen, steht im diesjährigen UNFPA-Weltbevölkerungsbericht. Geschlechtsspezifische Gewalt wird immer häufiger zur Kriegsführung eingesetzt. Das verdeutlichten nicht zuletzt die jüngsten Geschehnisse in Kongo, erinnerte UNFPA-Vertreterin Bettina Maas.

Unter dem Titel »Krise, Frieden, Wiederaufbau: Gesellschaften im Wandel« hat der UNFPA-Weltbevölkerungsbericht geschlechtsspezifische Gewalt zum Themenschwerpunkt gewählt. Denn genau vor zehn Jahren hatte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die alle Parteien bewaffneter Konflikte aufrief, vor allem Mädchen und Frauen vor Gewalt zu schützen. Der Bericht zieht eine Zwischenbilanz.

Facettenreich untersucht der Bericht – erstmals in Form von Reportagen – Schicksale von Menschen in Ländern, die sich nach Krieg und Naturkatastrophen auf dem Weg der Stabilisierung befinden: Bosnien-Herzegowina, Liberia, Uganda und Osttimor. Auch die Palästinensischen Autonomiegebiete, Jordanien und das im Januar von schweren Erdbeben heimgesuchte Haiti werden beschrieben.

Aus dem Bericht gehe hervor, »wie die durch Vergewaltigungen erlittenen Traumata weit über das Kriegsende hinauswirken und ganze Gesellschaften destabilisieren«, erklärte Bettina Maas. »Damit die Betroffenen wieder ins normale Leben zurückkehren können, ist gesellschaftliche Unterstützung entscheidend: beispielsweise durch die Familie und Freunde, aber auch durch Nichtregierungsorganisationen und internationale Helfer.«

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, die einen weiteren Aspekt aufgriff, sterben jedes Jahr 350 000 Frauen an den Folgen von Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. 99 Prozent von ihnen in Entwicklungsländern. Medizinische Betreuung und Familienplanung könnten die meisten der Todesfälle verhindern. Doch gerade in Krisengebieten verlangsame sich der Zugang zu reproduktiver Gesundheitsfürsorge, betonte Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung. Zu oft mangele es an Verhütungsmitteln, Schwangerenbetreuung und Geburtshilfe. »200 Millionen Frauen auf der Welt wollen verhüten, haben aber keinen Zugang zu Verhütungsmitteln und 80 Millionen Frauen werden ungewollt schwanger.« Sie verwies auf die unglückliche Verquickung von Bevölkerungswachstum, Armut, der Notwendigkeit von Ressourcen und den damit vorprogrammierten Konflikten. Familienplanung sei ein bisschen aus der Mode gekommen und gerade deswegen sei es gut, dass der Bericht sich damit beschäftige.

Gudrun Kopp, Staatssekretärin beim Entwicklungsministerium, verwies auf eine entstehende Initiative, die sich in Zusammenarbeit von Privatwirtschaft und Stiftungen der selbstbestimmten Familienplanung durch Schulungen und Kampagnen widmen werde. 80 Millionen Euro sollen dafür zu Verfügung gestellt werden.

In vielen Ländern, so der Bericht, veränderten sich durch die Krise die Geschlechterrollen. Viele der Frauen führten ihre Familien durch die Krise und gewännen dadurch neues Selbstvertrauen. Den Frauen, so Kopp, komme eine Schlüsselposition zu. In vielen Ländern seien sie die »tragenden Säulen« der weiteren Entwicklung. Deswegen müssten sie gestärkt werden. Außerdem, betonte sie, sei es oft wichtiger, kulturelle und religiöse Hintergründe, beispielsweise bei der Ausbildung von Hebammen, zu beachten, als ein Krankenhaus zu bauen. Auch wenn solches Tun weniger sichtbar sei.

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