Die Blase wächst

In Hamburg stehen immer mehr Büros leer, zugleich fehlt es an Wohnungen. Der Senat sieht zu

  • Rainer Kreuzer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In Hamburg wächst der Protest gegen den Leerstand von Büroflächen, während Mietwohnungen immer knapper und teurer werden. Obwohl die Leerstandquote bereits rund zehn Prozent beträgt, werden weitere Bürotürme gebaut. Erst vergangenen Samstag demonstrierten rund 5000 Menschen für die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum. Der schwarz-grüne Senat gerät dabei unter Druck. Eine Woche zuvor war im Schanzenviertel ein seit Langem leer stehendes Wohnhaus besetzt worden. Die Polizei räumte bereits nach wenigen Stunden.

Das Hamburger Bündnis »Leerstand zu Wohnraum« ist breit. Es reicht von kirchlichen Gruppen über Gewerkschaften, der Linkspartei, Mieterinitiativen, den Künstlern im besetzten Gängeviertel bis hin zu autonomen Zirkeln. Ihre Forderung, die brachliegenden Büroflächen als Wohnraum zu nutzen, trifft in der medialen Öffentlichkeit auf großen Beifall. Denn inzwischen stehen rund 1,2 Millionen Quadratmeter leer, so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. In der zweiten Hälfte dieses Jahres sollen rund 100 000 Quadratmeter zusätzlich fertiggestellt werden.

»Der vorhandene Leerstand an Büroraum würde Platz für 40 000 Wohnungen bieten«, hat das Bündnis errechnet. Der Mieterverein zu Hamburg hält entsprechende Umbauten von Büros in Wohnraum für relativ problemlos. Zudem seien rund 40 000 Wohnungen zu Arztpraxen und Büros zweckentfremdet worden, die den Wohnungssuchenden fehlten. »Die Behörden erlauben das durch Weggucken«, kritisiert Vorsitzender Eckard Pahlke.

Der schwarz-grüne Senat zeigt sich gegenüber diesen Entwicklungen bislang relativ defensiv. Seit 2006 fördert die Stadt zwar die Umwandlung von Büros in Wohnraum mit einem Zuschuss von 150 Euro pro Quadratmeter.

Spekulation auf Nachfrage

Doch bislang seien dadurch erst rund 500 Wohneinheiten neu entstanden, resümiert Helma Krstanoski, Pressereferentin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. »Wohnraum bringt weniger Miete als Gewerbe«, nennt sie als Grund, weshalb Investoren nur spärlich auf das Angebot eingingen. Viele Eigentümer spekulierten auf eine steigende Nachfrage nach Büroflächen und nähmen lieber den Leerstand in Kauf statt die Flächen als Wohnraum günstiger zu vermieten. Um den weitergehenden Neubau von Bürotürmen zu stoppen, fehlten der Stadt die Instrumente.

»Die Bebauungspläne werden in den Bezirken entschieden«, argumentiert Krstanoski. Die jetzigen Baustellen seien genehmigt worden, als die Marktlage noch anders gewesen sei. Als mittelfristige Maßnahme zum Gegensteuern verweist die Behördensprecherin auf die bereits angelaufene Nutzung von brachliegenden Gewerbeflächen für den Wohnungsbau.

Das Problem einer Büroimmobilien-Blase belastet allerdings nicht nur die Mieter in Hamburg. Auch in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, München steigen die Leerstände. »Insgesamt stehen in den Top-5-Märkten derzeit rund sieben Millionen Quadratmeter leer«, berichtet die Frankfurter Immobilienberatung Savills. Den Immobilienunternehmen seien dadurch 980 Millionen Euro an Mieteinnahmen entgangen. Hinzu kämen die laufenden Betriebskosten mit insgesamt 150 Millionen Euro.

Nachteile nur für Mieter

Trotz dieser hohen Verluste scheint sich Leerstand für viele Investoren zu lohnen. Hintergrund dafür sei die Bilanzierung der Immobilien, meint der Oldenburger Stadtsoziologe Andrej Holm. Bei der Berechnung des Buchwerts eines Konzerns würden die Immobilen mit ihrem »fiktiven Ertragswert«, den prognostizierten Mieteinnahmen, berechnet.

»Leerstand kann auch aus dieser Perspektive wirtschaftlich rationaler sein als die Vermietung zu günstigeren Konditionen«, so Holm. Denn durch Vermietung werde der Ertragswert geringer. Auch bei der Beleihung eines Objekts für Kredite seien möglichst hohe Ertragsberechnungen für die Investoren vorteilhaft. »Bei einer Vermietung unterhalb der dabei zu Grunde gelegten Ertragswerte der Immobilienfirmen ließe sich die Fiktion künftiger Erträge auch für die Kreditinstitute nicht länger aufrechterhalten.« Auf diese Weise sei Leerstand nur für die Mieter nachteilig, kritisiert Holm.

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