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Nahost: Keine Lösung für Fluchtursachen

UNHCR-Chef zieht beunruhigende Bilanz

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Langanhaltende und tiefverwurzelte Konflikte in mehreren Regionen der Welt könnten eine dauerhafte globale Flüchtlingssituation zur Folge haben. So hat es der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Guterres, auf der kürzlich beendeten 61. Jahresversammlung des Exekutivkomitee des UNHCR ausgedrückt. Zu diesen Regionen zählt auch der Nahe Osten.

Der Osten der arabischen Welt beherbergt die größte Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden weltweit. Die Folgen für die Aufnahmestaaten können ohne eine politische Beruhigung der Region nicht ausgeglichen werden, heißt es in einer Stellungnahme des UN-Hilfswerks für Flüchtlinge (UNHCR). Die Politik müsse »haltbare Lösungen« finden. »Wenn Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können und ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden«, sei das eine «humanitäre Krise«.

Die größte Gruppe der Flüchtlinge in der Region sind weiterhin die Palästinenser, die 1948 vertrieben wurden. Israel verweigert ihnen bis heute kategorisch das Recht auf Rückkehr. Die zweitgrößte Flüchtlingsgruppe sind Iraker, die nach der völkerrechtswidrigen Invasion unter Führung der USA 2003 aus Irak flohen. Die meisten Länder der Region, zum Beispiel Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon und Jemen, haben völkerrechtlich bindende Vereinbarungen über Rechte von Flüchtlingen nicht oder nur teilweise unterzeichnet, was deren Situation zusätzlich erschwert.

Laut UNHCR sind in Ägypten derzeit 38 962 Flüchtlinge aus 38 Staaten registriert, inoffiziell geht man allerdings von bis zu 500 000 Flüchtlingen aus. 57 Prozent der Registrierten stammen aus Sudan, 17 Prozent aus Irak, weitere 17 Prozent aus Somalia. Zwar hat Kairo sowohl die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 als auch die Flüchtlingskonvention der Afrikanischen Union unterzeichnet, gleichwohl sind die betroffenen Menschen großer Armut und Schutzlosigkeit ausgesetzt. Wer »illegal« aufgegriffen wird, verschwindet oft Monate im Gefängnis, bevor das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in der Lage ist zu helfen.

Seit 2003 sind von den in Irak lebenden 34 000 palästinensischen Flüchtlingen nur etwa 11 500 geblieben, die anderen flohen nach Jordanien und Syrien. Nur ein Bruchteil der mehr als zwei Millionen irakischen Flüchtlinge ist beim UNHCR registriert. Jordanien und Libanon verlangen von ihnen, dass sie für ihren Unterhalt selbst aufkommen. 100 000 Iraker wurden im Rahmen eines UN-Programms von Drittstaaten aufgenommen, 10 000 davon kamen nach Deutschland. Gleichzeitig werden aber Iraker, die vor 2003 als politische Flüchtlinge anerkannt oder geduldet waren, wieder nach Irak abgeschoben. Das UNHCR kritisiert diesbezüglich vor allem Großbritannien, die skandinavischen Länder und Deutschland.

7,1 Millionen Palästinenser gelten als Flüchtlinge und Inlandsvertriebene. Vor allem die Nachbarländer hat dies stets schwer belastet und häufig zu Konflikten geführt. Während Syrien die Flüchtlinge rasch integrierte, müssen sie in Libanon bis heute weitgehend rechtlos in Lagern leben. Flüchtlinge aus Eritrea und Sudan versuchen derweil, Israel zu erreichen, um dort als gering bezahlte Erntehelfer oder im Haushalt zu arbeiten. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden zwölf Personen von der ägyptischen Grenzpolizei erschossen, als sie versuchten, die ägyptisch-israelische Grenze zu überwinden. Der Weg zwischen dem Horn von Afrika und dem Mittelmeer liegt heute fest in der Hand von Schmugglern, die mit dem Transport politischer und Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika viel Geld verdienen.

Trotz aller Hilfen durch das UNHCR und andere Organisationen gebe es, so Flüchtlingskommissar Guterres, gebe es keine Entspannung der Situation, weil die Rückkehr vieler Flüchtlinge in ihr Heimatland immer unwahrscheinlicher wird. 2009 sei das schlechteste der letzten 20 Jahre bezüglich der Rückführung von Flüchtlingen gewesen.

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