Wahlen der Hoffnung an der Côte d'Ivoire

Nach acht Konflikt-Jahren wird ein neuer Präsident bestimmt

  • Michel Koffi, Abidjan
  • Lesedauer: 3 Min.
Einst war die Côte d'Ivoire eines der wohlhabendsten Länder Afrikas. Nach acht Jahren Konflikt ist es verarmt. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 65 Prozent. Nun wecken die mehrfach verschobenen Präsidentschaftswahlen am Sonntag Hoffnung auf Besserung.

Wer Abidjan gewinnt, wird Präsident. Selbst wenn die Präsidentschaftskandidaten das Landesinnere der Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) nicht vernachlässigen, konzentrieren sie sich auf die Wirtschaftsmetropole. Denn hier leben fast 30 Prozent der Wähler. Damit haben sie am Sonntag ein entscheidendes Wort mitzureden. Entsprechend fahren jeden Tag Fahrzeuge in den Farben der Kandidaten durch die Quartiere und hupen, die Wahlhelfer brüllen ihre Slogans durch Megafone. Gegen den gegenwärtigen Staatschef Laurent Gbagbo, der wieder antritt, haben zwei seiner Langzeitgegner gute Chancen, Alassane Dramane Ouattara und Henri Konan Bédié.

Doch die »kleinen Leute« zweifeln an allen Kandidaten. »Alle wollen Präsident werden. Aber was soll uns das bringen«, fragt sich Konan Modeste, ein junger Arbeitsloser. So wie er sind viele ohne Perspektive: Fast 65 Prozent aller jungen Leute sind beschäftigungslos. Das ist viel in einem Land, in dem drei Viertel der Menschen jünger als 35 Jahre sind. Viele von ihnen haben niemals gearbeitet. Die tiefe Krise begann 2002. Die Arbeitslosigkeit explodierte, als 2004 Pogrome gegen Ausländer folgten. Mehr als 400 Unternehmen in französischer oder anderer europäischer Hand schlossen oder wurden ausgelagert. Damit ver- schwanden 36 000 Arbeitsplätze.

Heute lebt die Hälfte der 20 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Händler, Verkäufer, Manager und Unternehmenschefs gleichermaßen erinnern sich mit Nostalgie an die Zeit von Félix Houphouët-Boigny: Unter dem ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit prosperierte das Land. »Es herrschte Frieden und Sicherheit, es gab Arbeit und zu essen«, erinnert sich Fatoumata, die auf dem Markt Yamswurzeln verkauft. »Vielleicht nicht für alle, aber für die Mehrheit.«

Die drei großen Parteien stecken viel Energie in diese ersten Wahlen seit dem Jahr 2000 – und viel Geld. Die Kandidaten reisen in Privatjets durchs Land. Banknoten werden rasch ausgegeben. Sie erzeugen das Bild des scheinbaren Überflusses in einem Land, das eigentlich ruiniert ist.

Immerhin, nach zahlreichen Verschiebungen finden jetzt zumindest Wahlen statt. Doch der Ausgang ist ungewiss. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben. Hinzu kommen ethnische Spannungen. Verschiedene Umfragen sehen Gbagbo als Sieger – doch erst im zweiten Wahlgang. Bis dahin kann noch viel passieren.

Noch wichtiger: Offen ist, ob die Wahlen überhaupt etwas ändern können. Der unabhängige Politikbeobachter Gilles Yabi in Abidjan ist skeptisch. »Es braucht mehr als Präsidentschaftswahlen, um die Côte d'Ivoire vom Weg der Verschwendung und der Gewalt abzubringen, auf dem man sich praktisch schon seit zwei Jahrzehnten befindet.« Es ist offen, ob die Spaltung des Landes überwunden werden kann. Heute wird nur der Süden von der Regierung kontrolliert, der Norden dagegen von Rebellen. Erst wenn wieder Ruhe einkehrt, kommen vielleicht auch die ausländischen Investoren zurück.

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