Deutsches Geld schürt Gewalt in Honduras

ND-Interview mit Richterin Tirza Flores Lanza

  • Lesedauer: 3 Min.
Tirza Flores Lanza ist Richterin und Aktivistin der Demokratiebewegung in Honduras. 2006 gründete sie in dem mittelamerikanischen Land die Vereinigung der Richter für die Demokratie. Dieser Verband kritisierte entschieden den Putsch gegen den gewählten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya Ende Juni 2009. In Berlin befragte Harald Neuber die Juristin.
Tirza Flores Lanza
Tirza Flores Lanza

ND: Frau Flores, Sie wurden nach dem Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung Ihres Landes aus Ihrem Amt entlassen. Was haben Sie verbrochen?
Flores: Mein »Vergehen« ist, dass ich der Vereinigung der Richter für die Demokratie angehöre. Dieser Berufsverband wurde 2006 mit dem Ziel gegründet, die Unabhängigkeit der Justiz und rechtsstaatliche Prinzipien zu stärken. Deshalb sind wir nach dem Staatsstreich vom 28. Juni 2009 in Konflikt mit dem Obersten Gerichtshof geraten, dessen Mitglieder den Putsch und die Inthronisierung des damaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti als Staatschef als »verfassungsgemäße Amtsnachfolge« bezeichneten. Meine Kollegen und ich haben uns entschieden gegen diese Position gewandt.

Welche konkreten Vorwürfe wurden gegen Sie erhoben?
Neben mir wurden weitere Richter entlassen. Der Kollege Guillermo López Lone etwa hatte wenige Tage nach dem Sturz der Regierung, am 5. Juli vergangenen Jahres, an einer Großdemonstration am Flughafen der Hauptstadt Tegucigalpa teilgenommen. Das allein ist kein Entlassungsgrund, zumal es sich nicht um eine parteipolitische Veranstaltung handelte. Ein anderer Richterkollege, Ramón Enrique Barrios, wurde gefeuert, weil er eine juristische Analyse der Geschehnisse vom 28. Juni 2009 veröffentlicht hatte, in der er zu dem Schluss kam, dass es sich um einen Putsch handelte.

Und Sie selbst?
Ich habe mich an einer Sammelklage gegen die Deportation des Präsidenten ins Ausland beteiligt. Allein diese Ausweisung verstößt – auch für Rechtslaien verständlich – gegen die Verfassung. Den Obersten Gerichtshof interessieren solche Argumente aber nicht, weil er eng mit dem Putschregime verbandelt ist.

Nach Angaben der honduranischen Demokratiebewegung und der Menschenrechtsorganisation COFADEH sind seit dem Putsch über 100 politische Morde begangen worden. Erwächst daraus auch für Sie eine Bedrohung?
Ich selbst bin nicht bedroht worden, aber in Honduras herrscht ohne Zweifel ein Klima von Angst und Unsicherheit. Für die meisten Menschen in meinem Land gibt es keinen Unterschied zwischen dem Putschregime und der amtierenden Regierung von Staatschef Porfirio Lobo. Seit dessen Machtübernahme dauern Gewalt und Menschenrechtsverletzungen an. Die herrschende Staatsführung versucht, diese tägliche Repression nur zu kaschieren. Das Schlimmste ist, dass das Volk dem völlig schutzlos ausgeliefert ist.

Gibt es noch eine unabhängige Justiz?
Nein. Der Oberste Gerichtshof, die Staatsanwaltschaft und die Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte sind der Staatsführung hörig. Schon vor dem 28. Juni 2009 hatte die Justiz ein problematisches Verhältnis zur Exe-kutive. Seit dem Putsch aber hat sie alle Unabhängigkeit verloren.

Sie haben in Berlin für Ihr Engagement unlängst den Hans-Litten-Preis der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen erhalten. Was bedeutet Ihnen eine solche Ehrung?
Es ist nicht nur eine große Anerkennung unserer Arbeit, sondern auch eine deutliche Nachricht an die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs in Honduras. Diese Preisentscheidung führt ihnen vor Augen, wie falsch sie liegen. Es ist zugleich eine Anerkennung der vielen mutigen Richter und Anwälte, die täglich die Menschen gegen das Regime verteidigen. Und es ist ein Preis für die Frauen im Widerstand.

Die deutsche Regierung unterstützt das De-facto-Regime in Ihrem Land. Was sagen Sie dazu?
Uns macht das natürlich große Sorgen. Wir wissen, dass die deutsche Regierung der Lobo-Führung in Honduras mindestens 40 Millionen Euro für den Ausbau des, wie sie es nennen, Sicherheitsapparates gezahlt hat. Seither sehen wir bei der Polizei neue Waffen und neue Ausrüstung. Nach Darstellung von Vertretern Deutschlands ist diese Hilfe an Bedingungen geknüpft. Davon merken wir aber nichts. Die Gelder der Bundesregierung schüren unmittelbar die herrschende Gewalt, die Bedrohungen, die illegalen Festnahmen und in letzter Konsequenz auch die politischen Morde.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal