Leipziger Mord: Täter war Rechter

Trauerfeier für getöteten Iraker / Sachsens Ausländerbeauftragter: Er half und wurde Opfer

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
In Leipzig fand gestern die Trauerfeier für den vor einer Woche getöteten Iraker Kamal K. statt. Mindestens einer der Täter war Berichten zufolge ein Rechtsextremer. Der 19-jährige K. wäre das sechste Todesopfer durch rechte Gewalt seit 1990 in Leipzig.

Kamal K., sagt Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo, wollte helfen. Der erst 19-jährige Iraker, der mit seiner Familie in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofs wohnte, sei in den frühen Nachtstunden des vorvergangenen Sonntags mit seiner Freundin und einem Bekannten aus der Disko gekommen, als er am Bürgermeisterdenkmal im »Müllerpark« Zeuge wurde, wie ein 16-Jähriger von zwei Tätern angegriffen wurde, die ihn offenbar ausrauben wollten. Kamal schritt ein. Es gab ein kurzes verbales Scharmützel, dann wurde der Iraker niedergestochen. Der Schwerverletzte schleppte sich noch ein Stück, dann brach er zusammen. Stunden später starb er im Krankenhaus.

Gillo, der am Wochenende mit K.s Familie gesprochen hatte und gestern auch an der Trauerfeier auf dem Leipziger Nordfriedhof teilnahm, äußerte sich auf ND-Anfrage betroffen über den Vorfall. Es sei »wirklich tragisch«, dass K. beim Versuch, einem anderen zu helfen, selbst Opfer geworden sei. Damit die Mutter, der ältere Bruder und andere Angehörige sähen, dass »wir zusammenstehen, wenn es um Menschlichkeit geht«, hatte Gillo »alle aufrechten Leipziger« zur Teilnahme an der Feier aufgerufen. Diese fand am Nachmittag unter großer Anteilnahme von Migranten, aber auch Leipzigern im Beisein eines koptisch-orthodoxen Bischofs statt. Trauergesänge waren dabei ebenso zu vernehmen wie Schmerzensschreie der Mutter. Viele der Gäste hatten zuvor an einem Trauermarsch teilgenommen.

Derweil erhärten sich Hinweise, dass die Tat auch einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat. Einer Meldung des Online-Portals »Blick nach Rechts« zufolge ist mindestens einer der Täter ein Rechtsextremer. Der 28-jährige Daniel K. sei etwa zwischen 2002 und 2007 in Aachen, Mönchengladbach und Düren in der Neonazi-Szene aktiv gewesen und wurde, nachdem er wegen Körperverletzung eine Haftstrafe absitzen musste, von der »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene« unterstützt. Er war im Mai 2010 entlassen worden. Sogar erst seit Mitte Oktober 2010 war sein Mittäter auf freiem Fuß. Der 32-Jährige aus Erfurt hatte dem Bericht zufolge eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung verbüßt, war aber auch wegen anderer Gewaltdelikte vorbestraft.

Die sächsische Linksabgeordnete Kerstin Köditz fordert vor diesem Hintergrund, den »mutmaßlichen rassistischen Hintergrund der Tat nicht mehr zu verschweigen«. Sie kritisiert die Polizei, die zwar nach eigenen Angaben in alle Richtungen ermittelt, aber in drei Pressemitteilungen keine Details insbesondere zu Daniel K. angegeben hatte. Köditz verweist darauf, dass dieser bei der Tat ein Kapuzenshirt mit der Aufschrift »Kick off antifascism« trug. Die Polizei legt den Tätern, die sich bislang nicht äußern, gemeinschaftlichen Mord zur Last und hat am Freitag einen Zeugenaufruf veröffentlicht.

Zuvor hatte bereits Monika Lazar, die für die Grünen im Bundestags sitzt, erklärt, es sprächen »alle Anzeichen für ein politisch motiviertes Delikt«. Sollten sich derlei Vermutungen erhärten, wäre Kamal K. das sechste Todesopfer, das Rechtsextreme seit 1990 in Leipzig zu verantworten haben. Allerdings wollte die Staatsanwaltschaft gestern auf ND-Anfrage Details wie den von Gillo dargestellten Tatablauf noch nicht bestätigen. Derweil wird für Donnerstag um 17.30 Uhr zu einem erneuten Protestmarsch aufgerufen.

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