Irakische Instabilität

Politische Gewalttäter nutzen Fehlen eine handlungsfähigen Staates

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
In Irak haben Terroristen innerhalb von drei Tagen mehr als 150 Menschen getötet. Die Fanatiker nutzen das Machtvakuum aus, das durch den Abzug der USA-Truppen und das Fehlen einer handlungsfähigen Regierung entstanden ist. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Nur 48 Stunden nachdem eine blutige Geiselbefreiungsaktion in der Kirche »Jungfrau unserer Rettung« in Bagdad-Karada 58 Todesopfer gefordert hatte, wurde die irakische Hauptstadt erneut von einer Anschlagswelle heimgesucht. Innerhalb kürzester Zeit explodierten Bomben in zehn Stadtvierteln am Dienstagabend, als viele Menschen unterwegs waren. Die Sprengsätze waren in präparierten Fahrzeugen versteckt und rissen nach offiziellen Angaben mindestens 63 Menschen in den Tod, die Zahl der Verletzten wurde mit 320 angegeben.

Die schwersten Anschläge verzeichneten die fast ausschließlich von Schiiten bewohnten Viertel Al- Kadhamiya und Husseiniya. »Zehn mit Sprengstoff gefüllte Fahrzeuge« seien explodiert, erklärte Generalmajor Kassim al-Moussawi, Sprecher der Bagdader Sicherheitsbehörden. Außerdem seien vier am Straßenrand versteckte Bomben und zwei Haftbomben explodiert. Zusätzlich wurde Granatenbeschuss in einigen Vierteln registriert.

Der amtierende Ministerpräsident Nuri al-Maliki verhängte eine Ausgangssperre und ließ die Brücken über den Tigris sperren, die den östlichen mit dem westlichen Stadtteil verbinden. Unklar ist allerdings, wie mit Sprengstoff gefüllte Fahrzeuge überhaupt Kadhimiya erreichen konnten, da Fahrzeuge im Inneren des Stadtkerns nicht zugelassen sind. Jeder muss ohnehin am Stadtrand eine Sicherheitskontrolle passieren, die jeder Grenzanlage alle Ehre macht. Die Urheber der Anschlagswelle sind unbekannt, vermutlich wird die Regierung Maliki – wie schon bei früheren Anschlägen – Al Qaida oder Drahtzieher in einem Nachbarland dafür verantwortlich machen.

Anders als bei der Geiselnahme vom Vortag handelte es sich am Dienstagabend um eine präzise koordinierte Aktion. Die Geiselnahme in der Kirche war Berichten aus Bagdad zufolge vermutlich eine in Panik verübte Tat. Nachdem die Angreifer ihr eigentliches Ziel, die Bagdader Börse, nicht besetzten konnten, weil sie von den Wachleuten mit Schusswaffen daran gehindert und anschließend verfolgt wurden, flohen sie schließlich in die nahe gelegene Kirche. Kritiker der blutigen Befreiungsaktion warfen der Einsatzleitung vor, keinen Spielraum für Verhandlungen gelassen zu haben.

Die Bevölkerung macht derweil die Politiker für die anhaltend schlechte Sicherheitslage verantwortlich. Das Gerangel um die Regierungsbildung dauert acht Monate nach den Parlamentswahlen vom 7. März an, eine Einladung des – sunnitischen – saudischen Königs Abdullah zu Vermittlungsgesprächen nach Riad wurde von den rivalisierenden schiitischen Bündnissen Iraks abgelehnt.

Hier in Syrien, aber auch in anderen Nachbarstaaten, zeigt man sich äußerst besorgt über die Gewaltwelle in Irak. »Jedes Land, das von Instabilität umgeben ist, läuft Gefahr, selber davon betroffen zu werden«, erklärte der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad gegenüber »Neues Deutschland« am Mittwoch in Damaskus. Syrien habe mit allen Seiten gesprochen, aber »die Einigung ist natürlich ausschließlich Sache der Iraker«.

Nach Angaben des unabhängigen Internetdienstes »Iraq Body Count« kamen allein im Oktober in Irak 295 Zivilisten gewaltsam ums Leben.

www.iraqbodycount.org/database/recent/

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