Goldgräber im Münsterland

In NRW werden Erdgasvorräte vermutet, erste Bohrungen stehen an. Vor Ort formiert sich Widerstand

  • Julia Wäschenbach, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Energiekonzerne wollen im Münsterland nach Erdgas suchen. Vor Ort ist mancher Bürger dagegen. Man befürchtet unter anderem eine Verschmutzung des Grundwassers.

Nordwalde. Fahrradfahren unter weitem Himmel – deshalb ist das Münsterland eigentlich Ziel für Urlauber aus ganz Deutschland. Neuerdings schauen auch Industriebosse mit großem Interesse auf die Gegend nördlich von Münster. Doch den Energiekonzernen geht es eher darum, was unter der idyllischen Felderlandschaft vermutet wird: Erdgas. In Nordrhein-Westfalen ist eine wahre Goldgräberstimmung ausgebrochen, eine der ersten Probebohrungen hat der Energiekonzern ExxonMobil in Nordwalde beantragt. Doch die Protestbewegung wächst: Ein Trinkwasserlieferant ist in Sorge, Anwohner fühlen sich bedroht.

Große Areale gesichert

Nordwalde könnte Vorreiter für viele Bohrungen in NRW sein. Riesige Erdgasvorkommen sollen in weiten Teilen des Bundeslandes in der Tiefe lagern, an Kohleflöze gebunden. Mit neuer Spezialtechnik könnten diese Vorräte bald erschlossen werden. Ob sich das lohnt, will ExxonMobil mit den Probebohrungen an drei Orten im Münsterland – Nordwalde, Drensteinfurt und Borkenwirthe – herausfinden.

Für Nordwalde hat der US-Konzern die Bohrung bereits bei der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg beantragt – sehr zum Groll der Anwohner. Sie haben prompt eine Interessengemeinschaft dagegen gegründet. »Wir sind das Versuchskaninchen«, schimpft Mathias Elshoff, Vorsitzender der Initiative. Deshalb will der Bäckermeister handeln, bevor es zu spät ist. Er steht auf dem Acker, auf dem mit Holzpflöcken in Neonpink schon die Ausmaße der künftigen Bohranlage markiert sind. Zuletzt wurde hier Raps angebaut. Jetzt sind die 3000 Quadratmeter an ExxonMobil verpachtet. Zunächst will der Energiekonzern nur Gesteinsproben entnehmen. Elshoff befürchtet aber, dass die Probebohrungen, die jeweils 2,5 Millionen Euro kosten, nur der Anfang sind: »Damit schafft man Fakten.«

Wie andere Energiekonzerne hat sich ExxonMobil vorausschauend in ganz NRW Gebiete gesichert, in denen das Unternehmen nach Erdgas suchen darf. In NRW vermutet ExxonMobil vor allem Gas an der Oberfläche von Kohle tragenden Schichten. In Niedersachsen und in Oppenwehe bei Minden sucht das Unternehmen bereits seit zwei Jahren nach Schiefergas, das in den Gesteins-Poren sitzt. Mit einer Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien wird das Gas aus dem Boden gepresst. Davor haben die Menschen in Nordwalde Angst. »Bei Bohrungen in den USA sind Teile der giftigen Chemikalien in das Grundwasser gespült worden«, sagt Elshoff. Der 42-Jährige deutet in eine Richtung, in der zwei Kilometer weiter ein Wasserwerk steht. Wo die Bohranlage entstehen soll, verläuft unter der Erde ein Kiessandzug. Aus dieser Schicht gewinnen viele Menschen in der Region ihr Grundwasser. Es könne immer etwas schief gehen, sagen die Anwohner. Die Bohrungen finden tiefer statt, hält ein ExxonMobil-Sprecher entgegen.

Gemeinderat stimmte zu

Auch Erwin Hintzen beruhigt das nicht. Der 54-Jährige wohnt knapp 400 Meter Luftlinie von dem Bohracker entfernt. »Wenn ich auf der Terrasse sitze, kriege ich doch alles mit: die Verschmutzung, den Lärm, den Verkehr«, sagt er in breitem Dialekt. Seit über zwei Wochen ist Baggerfahrer Hintzen krankgeschrieben: »Zu hoher Blutdruck, weil ich mich über diese Sache so aufrege.«

Die Chancen der rund 90 Gegner in Nordwalde, die Probebohrungen zu stoppen, sind wohl gering. Der Gemeinderat hat den Plänen bereits zugestimmt, nun muss die Bergbaubehörde des Landes entscheiden, ob dem Antrag stattgegeben wird. Um ihre Ziele gegen Politik und Energiekonzerne durchzuboxen, hat sich die örtliche Initiative mit Bürgern der Gemeinde Borkenwirthe zusammengetan.

Rückendeckung erhalten die Bürger von dem Trinkwasser-Lieferanten Gelsenwasser. Der Konzern erklärte am Freitag, man sei in »großer Sorge« über die Gefahren der geplanten Bohrungen. »Der Druck auf die da oben wird immer größer«, sagt Elshoff.

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