Keine Wohnblöcke auf die Parzellen

Kleingärtner am Tempelhofer Columbiadamm kämpfen um ihre Kolonie

Der Senat will nicht nur auf dem Tempelhofer Feld neue Stadtviertel errichten. Auch die benachbarte Kolonie am Flughafen soll dem Lilienthalquartier weichen.

Die Kleingärtner am Columbiadamm erfuhren zufällig davon, dass ihre Kolonie am Flughafen zum Bauland werden soll. Als der Senat vor einem Jahr die Sieger des Ideenwettbewerbs für eine Entwicklung des Flughafens präsentierte, fanden sie in den Entwürfen ihre Gärten nicht mehr wieder. Dort stand auf einmal ein Wohnquartier. Damit droht wieder einmal einem innerstädtischen Parzellengelände das Aus.

Wolfgang Hahn hat auf dem Tisch vor seinem Gartenhaus eine Karte ausgebreitet. Der Sprecher der Kleingärtner zeigt auf die rote Linie, die das Tempelhofer Feld umrandet. Sie markiert das Areal, für das der Senat die Entscheidungshoheit besitzt, weil die Entwicklung des ehemaligen Flughafens eine gesamtstädtische Bedeutung hat. Diese Linie endet am Columbiadamm. Nördlich davon erstrecken sich die 99 Parzellen der Gartenkolonie um ein Rückhaltebecken. Im Vergleich zum 380 Hektar großen Tempelhofer Feld sieht das Parzellengelände auf der Karte aus wie ein kleines Zipfelchen. Das Gelände befindet sich weiterhin in der Obhut des Bezirks Tempelhof-Schöneberg.

Allerdings bietet dies der Gartenanlage keinen Schutz. Lilienthalquartier wird die Wohnanlage genannt, die am Columbiadamm entstehen soll. »Irgendwer hat die Idee gehabt, eine Bebauung über das Flugfeld hinaus zum Südstern anzuschließen«, mutmaßt Wolfgang Hahn. Dabei sieht der Flächennutzungsplan (FNP) für das Areal eine Grünanlage vor. Die Senatsverwaltung hat ein Änderungsverfahren für den FNP eingeleitet. Einer Bebauung würde dann nichts mehr im Wege stehen.

Inzwischen wächst der Protest in den umliegenden Kiezen gegen die Entwicklungspläne auf dem ehemaligen Flugfeld. Skepsis herrscht auch an der Basis der SPD. Am Wochenende beschloss der Landesparteitag einen gemeinsam von den Kreisverbänden von Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln eingebrachten Antrag. Damit wird nun der Bau des gesamten Columbiaquartiers einschließlich des Lilienthalquartiers abgelehnt.

»Bei den Planungen darf man nicht nur das Flugfeld isoliert betrachten, sondern muss auch die Belange der umliegenden Quartiere berücksichtigen«, meint Dilek Kolat, Kreisvorsitzende der SPD in Tempelhof-Schöneberg. Dort fehlten insgesamt 15 Sportplätze, bemängeln die Ortsverbände. Sie wollen dem Vereinssport neue Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Tempelhofer Feld eröffnen.

Jan Stöß, Kreisvorsitzender der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg, plädiert dafür, auch in dem Rückhaltebecken, das von den Parzellen umgeben ist, einen Sportplatz zu bauen. »Die Flughafenkolonie soll natürlich erhalten bleiben«, sagt er. Mit einer solchen Entwicklung könnte sich der Koloniesprecher Wolfgang Hahn arrangieren.

Als die Änderungspläne für den FNP auslagen, haben die Kleingärtner natürlich ihre Einwände formuliert. Wolfgang Hahn spürte dabei eine Ohnmacht: »Die Senatsverwaltung hat in aller Ruhe die Planungen vorangebracht, während wir binnen weniger Wochen Protestnoten verfassen sollen.« Er empfindet das als einen ungleichen Kampf. Die Kleingärtner wiesen auf die Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt hin, und betonten die Bedeutung des Tempelhofer Feldes für das Mikroklima.

Klimaforscher appellierten im Januar auf einem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgerichteten Forum, dass Berlin auf den erwarteten Temperaturanstieg reagieren müsse. Gerade in den heißen und regenarmen Sommermonaten sei das Tempelhofer Feld nachts ein Kaltluftspender für die aufgeheizten Wohnviertel. Werden nun Columbia- und Lilienthalquartier errichtet, so befürchten die Kleingärtner, werde diese Kaltluftschneise nach Norden hin versiegen.

Ein Gutachten, das der Senat in Auftrag gegeben hat, sagt tatsächlich bei einer dichten Wohnbebauung eine Veränderung der Luftströme voraus. »Allerdings hat das Gutachten einen Idealfall geschildert«, bemängelt Gerhard Caspari, Parzellenpächter und Architekt. »Niemand würde so bauen.« Die Kleingärtner hoffen nun auf die Vernunft des Senats. Das ist der Strohhalm, an den sie sich klammern.

Am 23.11 findet um 19 Uhr eine Diskussionsveranstaltung über die Bebauung am Columbiadamm im Nachbarschaftszentrum in der Urbanstraße 21 statt. Teilnehmer u.a. Franz Schulz (Grüne), Bezirksbürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg; Thomas Flierl (LINKE), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung im Abgeordnetenhaus; Joachim Sichter, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

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