Pädagogennachwuchs dringend gesucht

Lehrerarbeitsmarktbericht 2010: Bedarf nach wie vor größer als das Angebot

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz steigender Einstellungszahlen fehlen in Deutschland nach wie vor Lehrkräfte. Zu diesem Schluss kommt eine von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Auftrag gegebene Arbeitsmarktstudie, die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Bundesweit wurden im laufenden Jahr rund 28 000 Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, berechneten Wissenschaftler der Universität Dortmund.

Auf den ersten Blick liefert der Lehrerarbeitsmarktbericht der Dortmunder Forscher ein positives Bild. Seit 2008 wurden jährlich mehr Lehrer neu eingestellt als ausgebildet wurden; die Zahl der Referendariatsstellen hat sich von 23 000 auf über 30 000 erhöht. Möglich wurde dies zum einen durch die Einstellung von Altbewerbern, aber auch durch das Anwerben von sogenannten Seiteneinsteigern für den Schuldienst. Bei den Seiteneinsteigern handelt es sich um akademische Fachkräfte ohne pädagogische Ausbildung, die für die Lehrtätigkeit an Schulen berufsbegleitend weitergebildet werden.

Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Mit den Mehreinstellungen der vergangenen drei Jahre konnte der Negativsaldo der Jahre davor nicht abgebaut werden: Seit 2003 haben die Länder über 7500 Lehrkräfte weniger eingestellt, als die Kultusministerkonferenz (KMK) als Bedarf errechnet hatte. Und auch die Seiteneinsteiger können auf Dauer keine Lösung sein, wie der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne gestern betonte. Gesucht würden diese Arbeitskräfte vor allem für die Mangelfächer in den Natur- und Technikwissenschaften. Viele dieser Seiteneinsteiger blieben aber nicht dauerhaft im Schuldienst, zumal die Gehälter in der Privatwirtschaft deutlich höher lägen als im öffentlichen Sektor. Schon nach einem Jahr würden 30 Prozent der Nachqualifizierten wieder der Schule den Rücken kehren, rechnete Ilse Schaad vor. Nach fünf Jahren seien nur 30 Prozent noch im Lehrerberuf, so Schaad, die im GEW-Vorstand für den Bereich Angestellten- und Beamtenpolitik verantwortlich ist. »Um den tatsächlichen Bedarf abzudecken, muss die Zahl der Referendariatsstellen auf 39 000 erhöht werden«, forderte Thöne.

Wie drängend das Problem ist, macht eine andere Entwicklung deutlich: In den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Pädagogen, die aus Altersgründen aus dem Schuldienst ausscheiden, von derzeit 25 000 auf 34 000 steigen. »Die Länder sind daher gut beraten, den Lehrerberuf für junge Menschen wieder attraktiv zu machen«, betonte Ilse Schaad. Sie sprach sich unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen wie z.B. kleinere Klassen und niedrigere Unterrichtsverpflichtungen aus, aber auch für eine höhere Entlohnung der Lehrkräfte.

Ähnlich problematisch, in den Auswirkungen aber noch dramatischer ist die Situation für die Erzieherinnen und Erzieher. Eine am Dienstag von der GEW vorgestellte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das ehrgeizige Programm der Bundesregierung zum Ausbau der Kita-Plätze gefährdet ist, weil sich die nötigen Fachkräfte nicht finden lassen. Die Gründe dafür sieht der Leiter des GEW-Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit, Norbert Hocke, in den Arbeitsbedingungen und der schlechten Entlohnung der Erzieherinnen und Erzieher. Nur die Hälfte von ihnen habe eine Vollzeitstelle und fast 20 Prozent der Berufsanfänger verdienten weniger als 786 Euro Netto im Monat. »Damit«, so Hocke, »gewinnt man weder junge Frauen noch Männer für diesen Beruf.«

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