Ost-West-Kluft öffnet sich weiter

Statistisches Bundesamt: Haushaltseinkommen liegen in den neuen Ländern bei drei Viertel des Westniveaus

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Statistische Bundesamt hat die Daten der letzten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2008 nun ausgewertet. Demnach liegen die Nettoeinkommen ostdeutscher Haushalte bei lediglich 75 Prozent des Westniveaus. Somit hat sich die Einkommensschere zwischen Ost und West in den letzten Jahren wieder geöffnet.

Die Einkommens- und Verbrauchs- stichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes ist so etwas wie der Seismograf deutscher Lebensverhältnisse. Alle fünf Jahre werden insgesamt 60 000 Haushalte zu ihren Einnahmen und Ausgaben befragt. Dabei interessieren sich die Statistiker vor allem für Vermögensbildung, Konsumausgaben und die Wohnsituation der Befragten. Die anfallenden Daten dienen beispielsweise auch der Berechnung des Regelsatzes für Hartz-IV-Betroffene. In diesem Zusammenhang geriet die EVS in den letzten Wochen und Monaten immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch weil die Opposition der Bundesregierung vorwarf, die EVS-Daten der letzten Erhebung aus dem Jahre 2008 willkürlich zu manipulieren, um daraus einen möglichst niedrigen Regelsatz abzuleiten.

Ganz aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe offenbar nicht. Zumindest betonte Karl Müller vom Statistischen Bundesamt bei der Vorstellung der EVS-Daten am Mittwoch in Berlin, dass die Entscheidung, »welche Ergebnisse für die Regelsatzabweichung verwendet werden«, allein das Bundesarbeitsministerium getroffen habe. Auch die Entscheidung, welche Ausgaben als »regelsatzrelevant berücksichtigt werden«, habe beim Ministerium gelegen, so Müller. So kam die Regierung auf die gewünschten 364 Euro.

Ansonsten zeigen die Daten der EVS aber auch, wie groß die Einkommenskluft zwischen Ost und West immer noch ist. So liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen in den neuen Ländern bei lediglich 2292 Euro, während es im Westen 3056 Euro sind. Somit haben die Ossis im Durchschnitt pro Monat 764 Euro weniger.

Die Zahlen verdeutlichen zudem, dass die neuen Länder nicht aufholen, sondern weiter zurückfallen. Die Schere zwischen Ost und West habe sich zwischen 2003 und 2008 »wieder geöffnet«, erläuterte Müller. Während die Haushaltsnettoeinkommen seit 2003 im Westen um mehr als drei Prozent anstiegen, »stagnierten sie in den neuen Ländern«, erläuterte der Statistiker. Lag das Nettoeinkommen ostdeutscher Haushalte 2003 noch bei 77,5 Prozent des Westniveaus, reduzierte es sich bis 2008 auf nur noch 75 Prozent. Berücksichtigt man allerdings die zehnprozentige Inflationsrate, so mussten auch die Westdeutschen leichte Einbußen hinnehmen. Fakt ist: Nur die Hälfte aller ostdeutschen Beschäftigten wird nach Tarif bezahlt. Auch deshalb fällt die Konsumquote im Osten höher aus als im Westen. Ossis verwenden beinahe 80 Prozent ihres Einkommens für Konsum – also Ernährung, Wohnen oder Bekleidung. In den alten Ländern liegt diese Quote um fast fünf Prozent niedriger. So kann dort mehr Geld auf die hohe Kante gelegt werden. Was sich in einer höheren Sparquote niederschlägt.

Interessant auch ein Blick auf die gesamtdeutsche Ausgabenverteilung. So ging ein Drittel der Konsumausgaben für Wohnkosten, Energie und Instandhaltung drauf. 2003 waren es 5 Prozent weniger. Noch interessanter: Die Deutschen geben für »Verkehr« – also Auto und Transport – mehr aus als für Nahrungsmittel !

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