Beschlüsse kamen erst um 3.30 in der Früh

Klimagipfel einigte sich auf Zwei-Grad-Limit für Erderwärmung und wenige echte Maßnahmen dazu

  • Andreas Knobloch, Cancún
  • Lesedauer: 3 Min.
Knapp zwei Wochen Zeit hatten die Delegierten aus aller Welt, um eine Einigung im Kampf gegen den Klimawandel zu erzielen, so lange dauerte der UN-Klimagipfel in Cancún. Am Ende bedurfte es zweier nervenaufreibender Marathonsitzungen, die sich jeweils bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages zogen, um einen Kompromiss zu erzielen. Der dann noch nicht einmal ein einstimmiger war. Denn Bolivien sperrte sich vehement gegen die gemeinsame Abschlusserklärung.

Die abschließende Plenarsitzung am Freitag wurde immer wieder nach hinten verschoben. Kurz nach 18 Uhr dann brachte die mexikanische Außenministerin und Verhandlungsleiterin Patricia Espinosa nach tagelangem Gezerre zwei Texte zur Abstimmung. Sie waren zuvor von den Ministern in mühevollen Sitzungen ausgearbeitet worden und fassten die bisherigen Verhandlungsstränge zusammen. Kaum mehr als der kleinste gemeinsame Nenner – aber immerhin. Espinosa wurde dafür von den Delegierten mit stehenden Ovationen bedacht. Alle großen Volkswirtschaften trugen die Entwürfe mit. Bereits das war eine kleine Situation angesichts der zuvor zum Teil diametral entgegengesetzten Positionen. Selbst Japan äußerte seine Zustimmung zu den Texten. Dabei war Japan lange Zeit das »schwarze Schaf« des Gipfels gewesen. Rigoros hatte es bereits zu Beginn des Gipfels eine Fortführung des Kyoto-Protokolls über 2012 hinaus abgelehnt.

Doch nun stellte sich plötzlich Bolivien quer. Der bolivianische Verhandlungsführer Pablo Solon beklagte den großen Einfluss der USA auf die Entwürfe. Die Dokumente reflektierten nur die Position einer kleinen Anzahl von Ländern und öffneten den Weg zur Abschaffung des Kyoto-Protokolls. »Wir schätzen den Applaus (für Espinosa – d. Red.) sehr, aber die Verhandlungen lösen sich nicht durch Applaus, sondern durch Verhandeln.« Statt der Abschlusssitzung ging es auf Antrag Venezuelas erneut in die Arbeitsgruppen, um zu versuchen, doch noch eine Einigung zu erzielen.

Währenddessen kam es draußen vor dem Tagungsort zu tumultartigen Szenen, als Sicherheitskräfte versuchten, eine kleine, zunächst genehmigte Demo von Umweltaktivisten aufzulösen. Es gab Gerangel und Handgreiflichkeiten. Fotografen, die die Vorfälle dokumentierten, wurden plötzlich selbst Zielscheibe der Sicherheitsleute, die versuchten, ihnen die Akkreditierungen abzunehmen. Dabei wurde der Reuters-Fotograf Jorge Silva geschlagen und festgenommen, aber nach einer Stunde wieder freigelassen.

Auch im Moon Palace selbst wurden die Nerven strapaziert – im Ringen um einen Kompromiss. Denn allen Beteiligten war klar, dass ohne Ergebnis die Klimaverhandlungen auf UN-Ebene ernsthaft beschädigt würden. Genau Mitternacht endete die informelle Runde, in der alle noch einmal ihre Positionen dargestellt hatten. Offenbar saß das Trauma von Kopenhagen so tief, dass niemand ein Interesse an einem Scheitern hatte. Nur die bolivianische Delegation blieb ablehnend.

Bei den bisherigen Klimagipfeln hatte es ausgereicht, dass ein Land oder eine Gruppe die erzielten Ergebnisse ablehnte, um das Abschlussdokument durchfallen zu lassen. Verhandlungsführerin Espinosa dagegen: »Konsens bedeutet nicht Einstimmigkeit.« Boliviens Bedenken würden in die Verhandlungsdokumentation aufgenommen. Dann erklärte sie mit dem Schlag ihres Hämmerchens das Dokument für angenommen und beendete einen nervenaufreibenden Gipfel – 3:30 Uhr am Samstagmorgen.

Während Mexikos Außenministerin Espinosa ob ihrer Verhandlungsführung gefeiert wurde, blieb Bolivien die Rolle des Spielverderbers. Dabei hatte das Land sich als einziges getraut, den Finger in die Wunde zu legen und den Kompromiss als das zu bezeichnen was er ist: als unzureichend. Aber angesichts der konträren Positionen und verhärteten Fronten war er wohl auch der einzig mögliche.

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