AKW Brunsbüttel vor dem Aus?

Gutachten: Neue Betriebsgenehmigung fällig

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Dem Atomkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein droht das Aus. Durch den mehr als dreijährigen Stillstand des Reaktors sei dessen Betriebsgenehmigung erloschen, heißt es jetzt in einem Gutachten.

Auftraggeber des Gutachtens ist die Fraktion der Grünen im Kieler Landtag. Darin kommt die Umweltrechtlerin Cornelia Ziehm zu dem Schluss, dass der Betreiber Vattenfall eine neue Betriebsgenehmigung für das vor fast 34 Jahren ans Netz gegangene AKW Brunsbüttel beantragen müsste. Das Kraftwerk zählt zu den ältesten und störfallanfälligsten Meilern in Deutschland. Eine neue Genehmigung dürfte deshalb schwer zu bekommen sein. Das AKW wurde im Sommer 2007 fast zeitgleich mit dem ebenfalls von Vattenfall betriebenen Reaktor in Krümmel abgeschaltet. Seitdem wird es rundum saniert. Es erhält unter anderem neue Dübel, neue Arbeitsbühnen sowie eine bessere Notstromversorgung.

Studienautorin Cornelia Ziehm, die bei der Deutschen Umwelthilfe den Bereich Klimaschutz und Energiewende leitet, argumentiert mit einer Regelung aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Dieses fordert vom Betreiber von Industrieanlagen eine neue Genehmigung, »wenn eine Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht betrieben worden ist«. »Das Atomgesetz verweist explizit auf diesen Paragrafen«, sagte Ziehm im ND-Gespräch. Eine Wiederinbetriebnahme des AKW sei also unzulässig.

Die Grünen in Schleswig-Holstein, die das Gutachten in Auftrag gaben, verlangen jetzt Konsequenzen. »Eine Genehmigung zum Wiederanfahren darf nicht erteilt werden, solange dieser Einwand nicht geklärt ist«, sagte Fraktionschef Robert Habeck der »Süddeutschen Zeitung«. Gleichzeitig erwägt die Partei eine sogenannte Feststellungsklage, um den Sachverhalt vor Gericht zu bringen. »Brunsbüttel darf nicht wieder ans Netz«, sagt Habeck.

Vattenfall sieht das offenbar ganz anders. Zum einen sei auch der Stillstand »laut Betriebshandbuch ein bestimmungsgemäßer Betrieb«, sagte eine Konzernsprecherin der »Süddeutschen Zeitung«. Zum anderen gelte für ein Kernkraftwerk nun einmal das Atomrecht. Das ist grundsätzlich zwar richtig. Doch Ziehm zufolge fehlt im Atomgesetz bis heute eine ursprünglich vorgesehene Rechtsverordnung. Definitiv entscheiden über eine mögliche Wiederinbetriebnahme des AKW Brunsbüttel muss der parteilose Justizminister von Schleswig-Holstein, Emil Schmalfuß. Er hatte Vattenfall erst vor zehn Tagen einen Strich durch die Rechnung gemacht, als er die vom Konzern als neue Chefin des AKW Krümmel benannte Ulrike Welte wegen Inkompetenz ablehnte.

Als Eingeständnis der Unfähigkeit, Atomkraftwerke zu betreiben, werteten Umweltschützer auch den vergangene Woche von Vattenfall öffentlich erwogenen Wechsel der Betriebsleitung für die Reaktoren Brunsbüttel und Krümmel zum Konkurrenten E.ON. An Krümmel sind beide Unternehmen je zur Hälfte beteiligt, an Brunsbüttel hält Vattenfall die Mehrheit und E.ON ein Drittel. Hauptgrund für den angedachten Betreiberwechsel dürfte sein, dass E.ON nicht länger bereit ist, das katastrophale Krisenmanagement und die daraus resultierenden Millionenverluste zu akzeptieren. Durch den Stillstand von Brunsbüttel und Krümmel verlieren Vattenfall und E.ON jeden Monat einen zweistelligen Millionenbetrag. Insgesamt belaufen sich die Verluste inzwischen auf etwa zwei Milliarden Euro.

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