Ja zur Zensur

Flattersatz von Matthias Wedel

  • Lesedauer: 3 Min.
Ja zur Zensur

In Ungarn werden ab Januar die Medien geknebelt (ein Pilotprojekt mit Fördergeldern der EU): Eine fünfköpfige Agitationskommission erscheint überraschend im Fernsehstudio und steckt dem ungarischen Claus Kleber hinterrücks einen Knebel in den Mund, so dass er die ungarische Gundula, die er sich zur Geisel genommen hat, nicht mehr coram publico mit seiner Zungenfertigkeit quälen kann.

Was den Kleber betrifft, würde ich mir ein solches Medienknebelgesetz auch hierzulande wünschen. Fernsehnachrichten, die nicht mehr verplaudert und eingespeichelt werden dürfen – dafür lohnt es sich schon, auf Pressefreiheit zu pfeifen. Plasberg und die Illner dagegen sollte das Gesetz ungeschoren lassen. Die nerven zwar, doch reicht es völlig, sie zu ignorieren.

Unsere hiesige Zensurbehörde sollte Günther Schabowski leiten – wegen seiner unersetzlichen Berufserfahrung. Sein berühmter Satz »Wir waren alle Schweine« prädestiniert ihn auch dazu, sich zu Fragen der Massentierhaltung zu äußern, sofern die in den Medien vorkommen. Zweitens sollte Marcel Reich-Ranicki mitarbeiten, falls er bereit ist, sich zu Schabowski loyal zu verhalten: Keiner verabscheut Mediengeschwätz so leidenschaftlich wie er. Einen Sitz beansprucht Erika Steinbach für alle aus einem Tageszeitungsabonnement Vertriebenen. Und qua Geburt ein idealer Zensor ist der beste aller lebenden Deutschen: Joachim Gauck. Er wird die Drecksarbeit machen und missliebigen Schmieranden mit einer Spielzeug-Guillotine Fingerkuppen amputieren, streng nach Aktenlage natürlich. Der fünfte im Bunde wäre gern ich.

Meine »Agenda«, wie das neuerdings heißt, (Silvester fasst man keine guten Vorsätze mehr, sondern formuliert seine »Agenda«) wäre kurz: SuperIllu verbieten, die ich für ein dreckigeres Blatt halte als BILD. SuperIllu fordert seit zwanzig Jahren ihre Leserschaft auf, den Rückfall in die Barbarei als »Glücksfall der Geschichte« zu lobpreisen, den Anschluss der DDR an das Mutterland für eine Revolution zu halten, sich an »schönen Erinnerungen an unser Leben in der Diktatur« die Füße zu wärmen und Helmut Kohl in allen ostdeutschen Stuben einen Hausaltar zu errichten. Sie ist ein durch und durch ideologisches Organ zur Gehirnwäsche an den Ossis und hat sich bereits den quirligen ARD-Sender MDR unterjocht.

Damit wäre meine Arbeit in der Task Force »Einheit und Reinheit der Presse« bereits getan und ich würde meinen Platz für Daniela Katzenberger räumen, die den Auftrag hätte, sich um Marcel-Reich-Ranicki zu kümmern. Außerdem hat sie diesen Posten verdient, weil sie der Verteidigungsminister nicht mit ins Feldlager nach Afghanistan genommen hat. Für Talkshows von der Front, Spenden-Galas für beinamputierte Bundeswehrsoldaten und ihre Hinterbliebenen usw. sollte Johannes B. Kerner beratend hinzugezogen werden. Schließlich fallen solche Sendungen, »wie man sie nur aus den Erzählungen unserer Großeltern kennt« (Merkel), nicht mehr unters Medien-, sondern unters Kriegsrecht.

Eine Gefahr für die Pressefreiheit stellt das Medienknebelgesetz (MKG) schon deshalb nicht dar, weil sich hierzulande alle Zeitungen und Sender bereits heute freiwillig an die Sprachregelungen halten, die Regierungssprecher Seibert ausgibt. Auch wenn es manchmal schwer fällt, weil die Zahl der Themen, über die geschrieben und gesendet werden darf, extrem klein ist. Über Weihnachten und bis Neujahr waren beispielsweise nur zwei Themen erlaubt: »Weihnachtsbräuche und das Jesulein« (Wie entsteht eine Kerze? Wie entstand das Jesulein?) und »Plötzlicher Kälteeinbruch und mörderischer Schneefall« (Socken wärmen nur, wenn sie nicht nass sind!). Damit hat die Presse eine Disziplin an den Tag gelegt, wie sie nicht einmal die Prawda in der stalinschen Sonderperiode des verschärften Klassenkampfes nach Innen erreicht hat.

Kommt das neue Pressegesetz, könnte auch Die Linke einen kleinen Paragrafen beitragen (»Mitglieder einer Partei dürfen nur positiv über diese in der Presse reden«). Also, wie man es auch nimmt – jeder hätte was davon.

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