Mit Genfood gegen Hunger?

Interview mit dem Agrarforscher und NRO-Vertreter Peter Rossett

  • Lesedauer: 3 Min.
ND: Wie verhält sich die USA-Delegation beim Welternährungsgipfel der Food and Agriculture Organisation (FAO) in Rom?
Wir wissen hier doch alle, dass die USA-Regierung nur mit zwei Zielen nach Rom gekommen ist: Das eine ist, die Vorstellung zu zerstören, dass Nahrung ein Menschenrecht ist; da beschämt es mich, US-Amerikaner zu sein. Die USA sind die einzige Nation auf der Welt, die gegen Nahrung als Menschenrecht ist. Und sie sind die einzige Nation, die dafür eintritt, deutliche und kräftige Worte in die Abschlusserklärung zu bringen, dass Genmanipulierte Organismen (GMO) ein wichtiger Weg seien, um den Hunger in der Welt zu besiegen. Jeder verantwortungsvolle Wissenschaftler weiß aber, dass es keinen überzeugenden Beweis dafür gibt, dass GMO dazu beitragen werden, den Hunger zu besiegen.

ND: Ist es der USA nicht gelungen, andere westliche Staaten von der eigenen Position zu überzeugen, beispielsweise Deutschland?
Wir wissen, dass kein anderes Land eine so einstimmige Position hat wie die
USA. Früher oder später werden sich die USA und die EU hinter verschlossene Türen zurückziehen, um eine Position auszuhandeln, die beide Seiten akzeptieren können, und dann nehmen sie eine gemeinsame Front gegen die Dritte Welt ein. Vielleicht sehen wir dies bereits diese Woche hier in Rom, weil die USA einige ihrer Ablehnungspunkte gegen das Recht auf Nahrung aufgegeben und erklärt haben, dass sie schwache Formulierungen zu diesem Thema in der Abschlusserklärung unter Vorbehalt akzeptieren würden. Das heißt, sie behalten sich das Recht vor, die Diskussion wieder zu eröffnen, um diese Formulierungen dann wieder zu eliminieren. Und sie behalten sich auch das Recht vor, die Abschlusserklärung nicht zu unterzeichnen, wie 1996 beim letzten Welternährungsgipfel. Die Vereinigten Staaten arbeiteten damals sehr hart, um die Abschlusserklärung zu verwässern, schafften es, aus ihr ein fast wertloses Dokument zu machen und weigerten sich schließlich, sie zu unterzeichnen. Dieselbe Taktik, die sie jüngst bei den Verhandlungen in Kyoto anwandten und 1992 bei den Verhandlungen zur Umwelt-Konvention in Rio de Janeiro.

ND: Was entgegnen Sie auf Kritiker, die sagen, dass GMO den Hungernden in der Dritten Welt helfen können?
Das Hungerproblem hat verschiedene Aspekte. Einer ist, das die derzeitigen Probleme bei der Nahrungsmittelerzeugung fast nichts mit der Agrartechnologie zu tun haben. Tatsächlich haben die afrikanischen Bauern ihren Ertrag in den vergangenen Jahren reduziert in Folge der von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) auferlegten Strukturanpassungsprogramme, mit denen Marketing-Netzwerke privatisiert wurden. Mit der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technologie könnten sie mehr produzieren, wenn sie nicht von ihren regionalen Märkten abgeschnitten werden als Konsequenz der vom Westen aufgezwungenen Politik.

ND: Gibt es denn eine Alternative zur Gentechnologie?
Sicher. Es gibt immer verschiedene Wege, um dasselbe Ziel zu erreichen. Ich selbst leitete ein Programm in Zentralamerika, bei denen Pestizide beim Baumwollanbau reduziert wurden, ohne jegliche genetische Ingenieurskunst. Allein durch besseres ökologisches Saat-Management waren wir in der Lage, bei der Reduzierung von Pestiziden und höheren Erträgen dieselben Ergebnisse zu erzielen. Und das ökologische Management birgt keine Risiken wie die GMO. Und schließlich gibt es eine Reihe von Alternativen zur Biotechnologie, die ein genau so großes, in manchen Fällen sogar größeres Produktivitätspotenzial aufweisen. Die Biotech-Industrie sagt, dass das maximale Potenzial von GMO, um die Produktivität zu erhöhen, bei höchstens 25 Prozent liege. Wir sind soweit, mit agro-ökologischen Technologien, die von Kleinbauern in Dritt-Welt-Staaten angewandt werden, eine Produktivitätssteigerung von 200 bis 300 Prozent zu erreichen. Das Geld, das in die Verbreitung und Förderung dieser alternativen Anbaumethoden fließen könnte, wird von der extrem teuren und risikoreichen Biotechnologie abgesaugt. Dabei verspricht sie nur wenig Potenzial.

Fragen: Cyrus Salimi-Asl
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