Werbung

»Kein Missbrauch von Dual-Use-Maschinen«

Britischer Embargo-Experte bezeugt exakte Kontrolle der von Irak importierten Anlagen

  • Rainer Rupp
  • Lesedauer: 4 Min.
Während USA-Präsident Bush auf ein »Recht« auf präventive Militärschläge gegen potenzielle Besitzer von Massenvernichtungswaffen pocht, sieht Verteidigungsminister Rumsfeld in irakischen Importen von Dual-Use-Maschinen bereits Indizien für die Existenz solcher Waffen.
Absoluter Blödsinn«, meint der britische Embargoexperte Prof. Eric Herring von der Universität Bristol, der mir unlängst in Bagdad detailliert die Prozeduren darlegte, mit denen die UNO sicherstellt, dass die importierten »Dual-Use-Items« - also Materialien und Maschinen, die sowohl im Bereich der zivilen als auch der militärischen Produktion eingesetzt werden können - nicht für militärische Zwecke verwendet werden. »In Irak befinden sich ständig Hunderte von UNO-Beobachtern, die jedes Jahr Tausende und Abertausende von Dual-Use-Inspektionen durchführen. Wenn also die Frage auftaucht, was passiert etwa mit dieser Spezialpumpe, wo wird sie eingesetzt - schon wird ein UNO-Beobachter losgeschickt, der unangemeldet im Betrieb erscheint und die Sache überprüft«, erklärte Prof. Herring die Prozedur. Beim Import von Maschinen, bei denen »Dual-Use-Items« nicht ausgeschlossen werden können, sei der Abnehmer in Irak klar identifiziert. Bei der Installation der Maschine in der Fabrik sei dann ein UNO-Beobachter dabei. Er halte mit Fotos alles dokumentarisch fest: die Registriernummer, den genauen Platz und das Umfeld der Anlage. Auf diese Weise wird von jeder Dual-Use-Maschine ein umfassendes Dossier angelegt, das bei aufkommenden Zweifeln jederzeit eine Überprüfung erlaubt, ob die Maschine noch an ihrem alten Platz steht und tatsächlich das produziert, wofür sie zugelassen wurde. Das sei zwar ein riesiger bürokratischer Aufwand, aber auf diese Weise habe die UNO die Verwendung von Dual-Use-Anlagen für militärische Zwecke völlig ausgeschlossen. »Für mich sind das eigentlich keine UNO-Beobachter mehr, sondern potenzielle Waffeninspekteure«, meinte Professor Herring. Derzeit finden zwischen Irak und der UNO neue Verhandlungen über die Rückkehr von UNO-Waffeninspekteuren nach Irak statt. Bagdad hat sich bereit erklärt, sie jederzeit wieder ins Land zu lassen, solange sie nicht aus den USA kommen, denn - so die Erfahrung Iraks - bei USA-Inspekteuren bestehe die Gefahr, dass sie ihre Tätigkeit zur Markierung neuer Ziele für die USA-Luftwaffe missbrauchen. Der US-Amerikaner Scott Ritter behauptet unterdessen, die Arbeit der UNO-Waffeninspekteure sei schon vor 1998 erfolgreich abgeschlossen gewesen und Irak stelle heute keine Gefahr mehr dar. Viele Jahre lang fungierte Ritter in Irak als Leiter eines Teams von UNO-Waffeninspekteuren. Auf Geheiß Washingtons waren diese Inspekteure indes 1998 aus Irak abgezogen worden, um den Weg für einen neuen Bombenkrieg frei zu machen. Zu dessen Rechtfertigung führte Washington angebliche irakische Obstruktionen bei den Inspektionen an. Dass es sich lediglich um vier beanstandete Fälle bei insgesamt 400 nicht angemeldeten Inspektionen handelte, wurde der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt. Ebenso wurden die Details jener vier Fälle nicht bekannt gegeben. In einem Fall hatte es sich um eine Inspektion in einer Fabrik nach Feierabend vor dem Wochenende gehandelt. Nach einer halben Stunde hatte der Wachmann immer noch keinen Vorgesetzten gefunden und er selbst wollte nicht die Verantwortung auf sich nehmen, die Inspekteure hereinzulassen. Als die Sache dem Leiter des Inspektionsteams zu lange dauerte, brach er sie ab und bescheinigte den Irakern »No-Compliance«, also Obstruktion. Ein weiterer Fall von »Obstruktion« fand statt, als ein Inspektionsteam versuchte, in die Büros des irakischen Auslandsnachrichtendienstes einzudringen, angeblich um dort in den Panzerschränken nach Lageplänen von versteckten Massenvernichtungswaffen zu suchen. Die Iraker empfanden das als Provokation und ließen das Team nicht ins Gebäude. Auf ähnlichem Niveau spielten sich die restlichen beiden Fälle ab, bei denen die Teams versuchten, in einen der Präsidentenpaläste zu kommen. Nun muss das Dual-Use-Argument wieder herhalten - in den jüngsten Reden von USA-Verteidigungsminister Rumsfeld spielen Dual-Use-Maschinen eine Schlüsselrolle. Mit diesem Argument rechtfertigt Washington auch die Blockade harmlosester Güter. Seit über einem Jahr wird beispielsweise die Lieferung dringend benötigter Krankenwagen im UNO-Sanktionsausschuss blockiert. Grund: In den Ambulanzwagen gebe es eine eingebaute Vakuumflasche, die sich zum Transport biologischer Kampfstoffe eigne. Dabei kann man sich bei einem Besuch im Basar von Bagdad davon überzeugen, dass dort jede Menge Vakuumflaschen käuflich zu erwerben sind. Mit Aussagen wie »Diese Sachen (Dual Use Items) werden, sofort nachdem sie über die poröse Grenze (nach Irak) gekommen sind, für militärische Zwecke eingesetzt«, unterstellt Rumsfeld, dass die Einfuhr von Dual-Use-Produkten Irak die Fortführung der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen erlaube. Embargo-Experte Prof. Herring sieht das nach wie vor anders: »Bei den Tausenden und Abertausenden von unangemeldeten Inspektionen in den Fabriken hat es keine einzige Beanstandung gegeben.« Was mir von Mitarbeitern in Bagdad ansässiger UNO-Organisationen bestätigt wurde. »Alle Behauptungen über angeblichen Missbrauch von Dual-Use-Maschinen«, bekräftigt Herring, »sind Blödsinn.«
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal