Sozialprotestherbst war nur lauwarm

Organisatoren diskutierten über Fehler

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Warum die Proteste gegen die Sparpolitik der Regierung schwach blieben, diskutierten Vertreter verschiedener Organisationen.

Soziale Initiativen, Gewerkschaften und Erwerbslosengruppen hatten im Herbst 2010 zu Protesten gegen das Sparprogramm der Bundesregierung aufgerufen. Höhepunkt sollte eine Bundestagsbelagerung zur Gesetzesverabschiedung am 26. November sein. Zu der kamen dann allerdings nur 3000 Menschen. Eine für den 18.Oktober geplante Bankenblockade in Frankfurt am Main war wegen mangelnder Resonanz abgesagt worden.

Warum sind die sozialen Proteste so schwach entwickelt?, fragten sich am Mittwochabend bei einer Veranstaltung in Berlin Aktivisten beteiligter Organisationen. Eingeladen hatte die Gruppe Internationale Kommunisten. Der Soziologe Holger Marcks, Mitglied der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter Union (FAU), sieht im Unwillen der DGB-Gewerkschaften, soziale Proteste zu organisieren, den Hauptgrund für die Protestflaute. Anders als in Deutschland habe es in Frankreich auch durch die Proteste verschiedener Gewerkschaften eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen die Rentenreform der Regierung gegeben.

Der Kritik am DGB stimmte Michael Prütz vom Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« zu: Die betrieblichen Aktionen, auf die vor allem die IG Metall setzte, seien häufig nicht mehr als ein Tagesordnungspunkt auf einer Betriebsversammlung gewesen, kritisierte er. Prütz wies auf die unterschiedlichen Krisenauswirkungen hin: »Die Folgen waren vor allem bei den Menschen spürbar, die sich am wenigsten wehren können«, meinte der Aktivist. Gerade bei vielen Erwerbslosen herrsche noch immer eine Lethargie.

Dem stimmte Erwerbslosenaktivistin Anne Seeck zu. Die wenigen aktiven Gruppen hätten ihre Forderungen oft sehr stark auf das scheinbar politisch Machbare heruntergeschraubt. Es fehle das Selbstbewusstsein, Forderungen durchsetzen zu können. Um das zu ändern, seien gemeinsame Aktionen in Jobcentern und Arbeitsagenturen nötig, wo sich Erwerbslose gemeinsam gegen Zumutungen auf dem Amt wehren. »Eine solche Organisierung müsse von den Stadtteilen ausgehen. Großdemonstrationen wie am 26. November werden nur von wenigen aktiven Erwerbslosen überhaupt wahrgenommen«, betonte Seeck.

Marc Sommer von der Berliner Gruppe Theorie, Organisation, Praxis (TOP) wollte die Fehler nicht nur bei den Protestorganisatoren suchen. Entscheidend sei, wie in großen Teilen der Bevölkerung die Ursache der Krise interpretiert worden sei. Die Version der Regierung, dass der Standort Deutschland gestärkt aus der Krise herauskommen müsse, sei weit verbreitet. Daher sei die Kritik an Staat und Nation ein wichtiger Bestandteil künftiger Sozialproteste.

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