Vom Spucken ins eigene Gesicht

Wird in Leipzig die NPD mitentscheiden, ob Kulturbürgermeister Faber abgewählt wird?

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Im zweiten Anlauf entscheidet sich heute, ob Leipzigs Stadtrat den parteilosen Kulturbürgermeister Michael Faber abwählt, der auf Vorschlag der LINKEN ins Amt gekommen war. Vorab gab es Streit, weil die Mehrheit für eine Abwahl in der ersten Runde nur dank der NPD zustande kam.

Knapper ging es nicht: Genau 48 Leipziger Ratsmitglieder stimmten am 15. Dezember im Stadtrat von Leipzig in einem ersten Durchgang für die Abwahl des parteilosen, auf Vorschlag der LINKEN erst 2009 ins Amt gekommenen Kulturbürgermeisters und Verlegers Michael Faber. 48 Stimmen – das war exakt die für einen Rauswurf nötige Zweidrittelmehrheit. Das hätte Anlass zur Freude bei den Fraktionären von CDU, SPD, FDP, Grünen und Bürgerfraktion sein können, die den von SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung mit Vertrauensentzug gestraften Faber aus dem Amt drängen wollen. Doch stattdessen gab es hitzige Debatten, denn die NPD erklärte, die Mehrheit sei nur zustande gekommen, weil zwei für sie im Parlament sitzende Abgeordnete dafür sorgten.

Zünglein an der Waage

Eine solche Situation hatte man im Lokalparlament der Stadt, die sich gern als Ausgangspunkt der friedlichen Revolution von 1989 sieht, eigentlich verhindern wollen. Die demokratischen Stadträte, so hatte man beschlossen, wollten »jede Situation vermeiden«, bei der Stimmen der fraktionslosen NPD-Stadträte den Ausschlag geben könnten. Bei der Faber-Abwahl indes, frohlockte Hartmut Krien, der Chef der kommunalpolitischen Vereinigung der NPD, sei man das »Zünglein an der Waage« gewesen. Damit die Mehrheit auch im nötigen zweiten Durchgang steht, erwarte man Absprachen mit anderen Fraktionen.

Die hat es offenbar nicht gegeben; Krien klagte kürzlich, er habe nur zwei magere Anrufe erhalten. Nicht befolgt wurde aber auch die Aufforderung von SPD-Rat Gunter Müller, die Abwahl sofort zu stoppen, weil das »gewünschte Ergebnis nur durch Unterstützung der NPD erreicht werden konnte«. Am heutigen Nachmittag steht die Abwahl im Rat erneut und abschließend auf der Tagesordnung.

»Höllenritt in den Abgrund«

Die Befürworter einer Abwahl nutzen den Streit dabei, um Druck auf abtrünnige Fraktionäre aufzubauen. Im Dezember hatte Faber noch einige Stimmen jenseits der Linksfraktion einsammeln können. Das soll sich diesmal ändern: Dass die NPD-Stimmen so wichtig wurden, spreche »nicht gegen die demokratische Reputation des Parlaments, wohl aber gegen die Zuverlässigkeit einzelner Mitglieder«, sagt etwa Michael Burgkhardt, Chef der Bürgerfraktion. Im Klartext: Wenn genug Räte jenseits der NPD-Politiker gegen Faber votierten, sei es nicht mehr entscheidend, ob diese zufällig ebenso stimmten.

Dennoch könnte sich das Verdikt von Linksfraktions-Chefin Ilse Lauter bestätigen, die von einer »Lose-Lose-Situation« gesprochen hatte. Dies gilt für die Abwahl, die entweder mit dem Makel der NPD-Zustimmung behaftet wäre oder zu scheitern drohe. In jenem Fall wären künftig aber sowohl Faber als auch Jung beschädigt. Der hatte, so schrieb die »Leipziger Volkszeitung«, in einem »Komplott von oben« mit der »Allianz der Hochkultur« Faber zur Abwahl freigegeben. Dies sei dadurch erleichtert worden, dass der Verleger die »Kärrnerarbeit« des politischen Alltagsgeschäfts offenkundig unterschätzt habe.

Dieses Alltagsgeschäft gleiche ohnehin einem »Höllenritt in den Abgrund«, sagt der Schriftsteller Christoph Hein. Dass Faber dort hinein mit NPD-Hilfe gestoßen wird, glaube er aber nicht, fügte Hein hinzu: »Die Stadträte müssten sich ja anderenfalls selbst ins Gesicht spucken.«

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