Streit um Berufsheer in Österreich

Sozialdemokraten streben baldige Abschaffung der Wehrpflicht an

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Sieben Modelle, mit denen das Bundesheer reformiert werden könnte, hat Österreichs Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) jetzt der Öffentlichkeit präsentiert. Seine Präferenz: Berufsheer. Zur allgemeinen Verwirrung nennt er es »Mischmodell mit Freiwilligenheer«.

Seit sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl im vergangenen Herbst drei Tage vor den Gemeinderatswahlen für die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen hat, legen täglich ein paar hochrangige Sozialdemokraten nach: Die Wehrpflicht sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es ohne nähere Begründung. Was als Wahlkampfzuckerl für Jüngere nicht funktioniert hat (Häupl hat die absolute Mehrheit im Stadtparlament verloren), soll jetzt auf der Bundesebene in eine große Reform münden.

Das österreichische Bundesheer operiert seit Jahrzehnten in Form eines Milizsystems. Von den aktuell 35 000 Mann betreiben 10 000 den Dienst an der Waffe professionell. Der Rest der Truppe wird über die Wehrpflicht einberufen und dient sechs Monate, bleibt aber bis zum 50. Geburtstag in der Reserve. Seit seiner Gründung im Jahr 1955 kam das Bundesheer neben zahlreichen Katastropheneinsätzen im Inland hauptsächlich über UN-Missionen auf dem Golan oder auf Zypern zum Einsatz, bis die Änderung der politischen Großwetterlage 1989 auch Auslandseinsätze unter dem Dach der NATO bzw. ihr vorgelagerter Organisationen erlaubt hat. Heute stehen österreichische Berufssoldaten in Kosovo, in Bosnien und in Tschad. Einer von der ÖVP losgetretene Debatte über einen NATO-Beitritt ist die SPÖ im Jahr 2000 entschieden entgegengetreten.

Die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland hat seine Nachwirkungen nun auch in Österreich gezeitigt. Interessanterweise waren es hier vor allem die Sozialdemokraten und die Grünen, die das Bundesheer in seiner aktuellen Form als »überholt« bezeichnet haben. Den Terminus »Berufsheer« will man dennoch tunlichst vermeiden, erinnert er doch zum einen historisch an die 1930er Jahre, in denen das damalige austrofaschistische Berufsheer die Arbeiterhochburgen in Schutt und Asche geschossen hat. Zum anderen scheuen sich die (Un)Verantwortlichen auch, einem wesentlich teureren Modell als der allgemeinen Wehrpflicht das Wort reden zu wollen.

Also hat man sich auf den Begriff »Freiwilligenheer« geeinigt, bei dem »freiwillige« Grundwehrdiener von Berufssoldaten geführt werden. Laut Darabos-Plan sollen diese Freiwilligen monatlich 1700 Euro erhalten; wer sich zehn Jahre lang für Milizeinsätze bereithält, wird mit jährlich 5000 Euro zusätzlich entlohnt. Dieses Verständnis von Freiwilligkeit entspricht jedem Berufsbild, in dem man für einen bestimmten Lohn tätig ist.

Wichtig für das Verteidigungsministerium ist, die selbst auferlegten Verpflichtungen der Auslandseinsätze aufrecht zu erhalten und zudem eine gewisse Einsatzbereitschaft im Katastrophenfall zu gewährleisten. Die Kosten dieses »Mischmodells« sollen die derzeitigen von ca. 2,3 Milliarden Euro nicht übersteigen.

Opposition gegen diese sanfte Variante eines Berufsheeres regt sich von rechter und konservativer Seite. Dort fordern Experten ein mit der NATO kompatibles Berufsheer. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum vermeldet gegen die Fachleute in seiner Partei, für die Beibehaltung der Wehrpflicht eintreten zu wollen.

Auch die mit der SPÖ in Koalition befindliche ÖVP sieht zur Zeit keinen Grund, die Wehrpflicht abzuschaffen. Sie argumentiert mit der Notwendigkeit eines schlagfertigen Katastrophenschutzes und damit, dass sich bei einer Abschaffung der Wehrpflicht auch der Zivildienst erledigte, was eine Reihe karitativer Organisationen schwer beeinträchtigen würde.

Als Ausweg aus der verfahrenen Diskussion böte sich eine Volksabstimmung an. Die SPÖ wäre dafür zu haben und hat auch schon mit dem Stichwort »Freiwilligenarmee« ideologisch für ein Ja zum Berufsheer vorgesorgt. In der ÖVP wird eine mögliche plebiszitäre Entscheidung derzeit allerdings noch diskutiert.

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