Die Steuermoral von Real Madrid

Spanischer Staat nahm 10 Milliarden Euro zusätzlich ein

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ralf Streck, San Sebastian

Durch verstärkte Steuereintreibung hat der Staat im vergangenen Jahr zusätzliche Einnahmen generiert. Doch das Problem der schlechten Steuermoral ist nach wie vor akut.

Spaniens sozialistische Regierung hatte sich im Rahmen der Sparpolitik zum Ziel gesetzt, verstärkt gegen Steuerhinterziehung vorzugehen, um das hohe Haushaltsdefizit zu bekämpfen. Zwar liegen noch keine offiziellen Daten vor, doch geschätzt wird, dass 2010 zusätzlich 10 Milliarden Euro von Steuersündern eingetrieben wurden. Das wären fast 25 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Summe entspricht immerhin knapp einem Prozent der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes.

Dennoch sind diese Zahlen für Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero nicht geeignet, sich »selbstgefällig« im Erfolg zu sonnen, stellte selbst die der Regierung nahestehende Tageszeitung »El País« fest. Der hohe Betrag mache in erster Linie deutlich, wie es um die Moral beim Steuerzahlen in Spanien bestellt war und ist.

Ohnehin kommt der Großteil der Steigerung durch Nachzahlungen zustande. Denn viele Firmen konnten in den Boomjahren, als sich in Spanien die Immobilienblase gefährlich aufblähte, massiv Steuern hinterziehen. Nachdem die Blase geplatzt war, beantragten viele Sünder eine Stundung der Steuerschulden. Ein Teil ist 2010 beglichen worden.

Von Schweizer Konten flossen indes nur 260 Millionen Euro an Nach- und Strafzahlungen in den Haushalt. Dabei hatte im vergangenen Sommer Finanzministerin Elena Salgado erwartet, dass etwa 3,4 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse fließen würden. Ihr Optimismus speiste sich aus einer CD mit Bankdaten über Steuerhinterzieher, die französische Behörden gekauft hatten. Demnach sollen 659 wohlhabende Spanier bei der Großbank HSBC bis zu 8 Milliarden Euro vor dem Fiskus in Sicherheit gebracht haben.

Ministerpräsident Zapatero will seinen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug verstärken. So werden Beschäftigte mittels Briefen aufgefordert, Betrügereien mit Schwarzarbeit in ihrer Firma zu melden. Druck wird auf die Betroffenen durch die Mitteilung ausgeübt, gegen sie werde ein Verfahren eröffnet. Die Regierung erhofft sich, dass darüber bis 2013 eine weitere Milliarde Euro zusätzlich in die Staatskasse fließt.

Dabei könnten die Steuerbehörden und Sozialkassen dieses Geld viel einfacher einnehmen. Etwa bei den Vereinen im spanischen Profifußball, die schon bis Herbst 2008 fast 630 Millionen Euro an Steuerschulden angehäuft hatten. Hinzu kommen Millionenrückstände bei der Sozialversicherung. Lediglich der FC Barcelona hat seine Schulden in Höhe von 60 Millionen inzwischen beglichen.

Profivereine wie Real Madrid stehen beispielhaft für die Steuerzahlungsmoral bei großen spanischen Firmen. Der Staat treibt seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise dort aber Steuerschulden noch weniger konsequent ein, um Unternehmen nicht in die Zahlungsunfähigkeit zu treiben. Auch hier rächt es sich, dass man dem Treiben jahrelang zugesehen hat.

Ein anderes Problem ist die wuchernde Schattenwirtschaft. Da die Regierung im Februar das für sechs Monate gewährte Sozialgeld von 426 Euro streicht, wird neben denen, die sich illegal im Land aufhalten, mehr als eine Million Spanier dazu gezwungen sein, sich mit Schwarzarbeit, Betteln oder Klauen über Wasser zu halten. Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit von 21 Prozent ist es fast unmöglich, einen geregelten Job zu finden. Schon 2009, so schätzen Experten, entfielen fast 20 Prozent der Wirtschaftsleistung auf die Schattenwirtschaft.

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