Psycho-Test für Zehnjährige

Schleswig-Holstein: Erlass bringt Bildungsminister Klug in die Klemme

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Dies ist die Geschichte von einem neuen Schulgesetz, einem Bildungsminister, einem Erlass-Entwurf, einem Psycho-Test für Schüler, dem Vorwurf der Sabotage und der Frage nach der Verantwortung für all diese Vorgänge, die sich anhören wie ein Märchen, sich in Schleswig-Holstein aber tatsächlich so zugetragen haben.

Es war einmal ein Schulminister namens Ekkehard Klug (FDP), der ein Verfechter des Beibehaltens des dreigliederigen Schulsystems gewesen ist und trotz der von CDU und SPD in der Vorgängerregierung angeschobenen Strukturänderung, neben den bestehenden Gymnasien nur noch Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen (Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen) zuzulassen, Realschulen zunächst einen Bestandsschutz gewährte. Als dieser inzwischen antiquierte Schultyp bei den Eltern im Land keinen Rückhalt mehr gefunden hat, konzentrierte der Minister sich vorrangig auf die Stärkung der Gymnasien, damit die immer beliebter werdende Gemeinschaftsschule nicht auch noch der anderen alteingesessenen Schulform den Rang abläuft.

Als in Schleswig-Holstein immer mehr Eltern ihren Unmut gegen das Turbo-Abitur (G 8) zum Ausdruck brachten, versuchte der kluge FDP-Mann auch diese unliebsame Protestecke mit einer bundesweit einmaligen Idee zu befrieden: Künftig soll es an Gymnasien möglich sein, sowohl in acht als auch in neun Jahren (G 9) zum Abitur zu kommen. Bildungsexperten schüttelten den Kopf ob dieses Sondermodells, das schließlich Ende Januar mit dem von CDU und FDP verabschiedeten neuen Schulgesetz zementiert wurde. Die Liberalen wurden trotz oppositioneller Proteste nicht müde, die Vorteile des Sonderwegs als zusätzliche Wahlfreiheit von Eltern und Schulträgern herauszustreichen.

Bildungschef Klug und sein administrativer Apparat wollten offenbar aber doch keinen ungezügelten Freiraum. Um den Zugang für den G 8- wie G 9-Zweig zahlenmäßig zu steuern, sollten Schüler, die kein Turbo-Abi anstreben, sich einem medizinischen Psycho-Test unterziehen, der dann attestiert, dass der »physische und psychische Gesundheitszustand« eine längere Lernzeit erfordert. Als dieses Ansinnen aus dem Ministerium bekannt wurde, war die öffentliche Empörung groß. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte postwendend personelle Konsequenzen, weil »derart stigmatisierende und kinderfeindliche Gedankengänge zu Papier gebracht« wurden. Die wahren Übeltäter sah der FDP-»Lautsprecher« in der trotz Regierungswechsel weiterhin »sozialdemokratisch durchzogenen Ministerialbürokratie«, die die Bildungspolitik von CDU und FDP konterkariere. Drei Tage später räumte Minister Klug jedoch ein, dass die so gescholtene Anhörungsfassung für einen Erlassentwurf über seinen Schreibtisch gegangen sei und er diese auch abgezeichnet habe. Klug wörtlich: »Ich trage die politische Verantwortung.« Er habe den Entwurf nun aber umgehend zurückgezogen und damit »angemessen reagiert«, wie Parteifreund Kubicki kleinlaut zum Besten gab.

Ärger gibt es für Klug mittlerweile auch vom Städteverband Schleswig-Holstein. Bis Ende Februar sollen die kommunalen Schulträger Rückmeldung ans Ministerium über Möglichkeit geben, an den jeweiligen Gymnasien die G 8- bzw. G 9-Klassen einzurichten. Das sei so mit den kommunalen Spitzenverbänden abgesprochen, betont der Minister. Jochen von Allwörden vom Städtetag widerspricht: Mit den kommunalen Spitzenverbänden habe niemand das Gespräch gesucht. Im Übrigen sei die Meldefrist vier Wochen nach Gesetzesverabschiedung viel zu kurz.

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