Generalstreik brüskiert Linksregierung

Boliviens Präsident Evo Morales wirft der Gewerkschaftsführung »persönliche Interessen« vor

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.
Boliviens Linksregierung der Bewegung zum Sozialismus (MAS) kämpft weiter mit dem weltweiten Preishoch für Nahrungsmittel und Treibstoffe.

Insgesamt zwei Millionen Mitglieder des mächtigen Gewerkschaftsdachverbandes Bolivianische Arbeiterzentrale (COB) waren am Freitag (Ortszeit) aufgerufen, für mehr Lohn, sofortige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes und öffentliche Kontrolle der Lebensmittel- und Transportpreise zu protestieren. Für eine fünfköpfige Familie soll der Lohn auf 8309 Bolivianos (1183 US-Dollar) angehoben werden, lautete eine der Hauptforderungen. Auch die Transportunternehmen sollen ihre Preise senken. Nach der Streichung der staatlichen Treibstoffsubventionen zu Jahresbeginn hatten sie diese angehoben und trotz der Annullierung des »Gasolinazo« beibehalten.

Mit ihrem 24-Stunden-Generalstreik will die COB ein Zeichen mit Signalwirkung setzen. Die Preisentwicklung lässt die Löhne schmelzen. »Der Warenkorb unserer Familien ist leer«, hieß es auf den Plakaten von Demonstranten. Seit Weihnachten sind die Kosten für Reis, Fleisch, Speiseöl, Zucker sowie im Fern- und Nahverkehr drastisch gestiegen. Waren die Bauernverbände vom Lande dem COB-Aufruf nicht gefolgt, gingen in der Hauptstadt La Paz und dem benachbarten El Alto Fabrikarbeiter, Straßenhändler, Angestellte der staatlichen Schulen, Universitäten und Krankenhäuser zu Tausenden auf die Straße. Im zentralbolivianischen Cochabamba blockierten COB-Mitglieder die wichtigste Verbindungsstraße zwischen Andenhochebene und Tiefland.

Trotz seiner offen erklärten Unterstützung für den »Prozess des Wandels« hatte COB-Chef Pedro Montes am Donnerstag zum Generalstreik aufgerufen. Präsident Evo Morales war nicht wie erwartet persönlich zu einem Vermittlungsgespräch gekommen und hatte seine Minister zum Treffen geschickt. Eine anschließende Pressekonferenz hatte die Fronten verhärtet. Die geforderte Anhebung des Lohns im öffentlichen Sektor zwischen 40 bis 70 Prozent provoziere ihm »ein Lachen«, so Morales. Die COB-Forderung sei schlicht nicht bezahlbar. Staatliche Sozialprogramme wie Zahlungen für den Schulbesuch, Rente für alle und Mutterhilfe sowie die wegen des explodierten Ölpreises und Schmuggels gestiegenen Ausgaben für Treibstoffsubventionen seien dann nicht mehr finanzierbar, erklärte der Staatschef die Haushaltslage. Vor seinem Amtsantritt im Januar 2006 seien die »Gewinne aus der Ausbeutung der Rohstoffe an die Multis gegangen«, rechnet Morales die Vorteile der Nationalisierung der Gas- und Ölreserven vor. Flossen früher nur 600 Millionen Dollar in staatliche Investitionen, seien es für »Programme der sozialen Entwicklung« heute bereits 3,3 Milliarden. Die Lohnentwicklung werde »immer über der Inflationsrate liegen, das haben wir bisher so gemacht«, versprach Morales am Wochenende. Die aktuelle Aufregung verstehe er nicht. Er warf den COB-Funktionären angesichts der kurz bevorstehenden internen Wahlen taktische Absichten vor.

Statt »persönlicher Interessen« sollte die Gewerkschaftsführung »zuerst an das Vaterland denken«, so der MAS-Führer.

ND-Karte: Wolfgang Wegener

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